Tourismus

Besuch beim „fahr(T)raum“ im salzburgerischen Mattsee

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Ein Beitrag von Dr. Ernst Deubelli – Mattsee/Salzburg/Prien. Das Ambiente hat es in sich: Der „fahr(T)raum“ im salzburgerischen Mattsee beherbergt die größte Sammlung an Austro-Daimler Fahrzeugen weltweit. Und es hat noch eine Besonderheit All diese Fahrzeuge entstammen den Ideen und dem Reißbrett von Ferdinand Porsche. Sie sind alle fahrbereit und zugelassen. In der kommenden Messe Classic Expo vom 16. bis zum 18. Oktober, sofern Corona nicht einen Strich durch die Rechnung macht, wird der „fahr(T)raum“ Mattsee mit einer Sonderausstellung zu Austro-Daimler in den Salzburger Messehallen vertreten sein.

Rund 15 000 Fahrzeuge wurden in der rund 35jährigen Firmengeschichte von 1899 bis 1935 bei Austro-Daimler gefertigt. Von 1905 bis 1923 war Ferdinand Porsche Chefkonstrukteur des Unternehmens. Rund 110 Fahrzeuge sind heute noch weltweit bekannt, davon 27 in der Sammlung von Ernst Piëch und zum größten Teil in Mattsee ausgestellt, fahrbereit und auch für Events zu mieten. Ernst Piëch ist der Bruder von Ferdinand Piëch und Enkel von Ferdinand Porsche.

„Bis zu einer Entfernung von 80 Kilometern fahren wir die Fahrzeuge mit eigener Kraft, schließlich wollen sie auch bewegt werden“, sagt der Chef der Ausstellung und Geschäftsführer der Fahrtraum GmbH, Jakob Iglhauser. Ab einer Distanz von 80 Kilometern werden sie per Tieflader transportiert. Über 300 Ausfahrten werden jährlich gebucht. Die Fahrzeuge erfordern in der Handhabung spezielle Kenntnisse. Die Limousinen sind mitunter tonnenschwer, haben keine Servolenkung, haben größtenteils die in Österreich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts übliche Rechtssteuerung, eine andere Anordnung von Brems- und Gaspedal und einige weitere Feinheiten, wie zum Teil einen für moderne Fahrzeuge unüblich langen Bremsweg.

Aber die eine oder andere Maschine, die vor knapp einem Jahrhundert so berühmte Rennfahrer wie Hans Stuck gefahren haben, schaffen auch heute noch weit über 100 Stundenkilometer, zum Beispiel das Lieblingsfahrzeug von Ernst Piëch, ein Doppel Phaeton aus dem Jahr 1929, dem Geburtsjahr des Sammlers. Die Ausstellung ist seit der Eröffnung im Jahr 2013 kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile gibt es im Untergeschoss den Porsche-Traktor-Stadl mit Exponaten der über 40 Exemplare umfassenden Sammlung von Porsche-Traktoren und Nach-folge-Modellen, zum Beispiel einem „Renault-Porsche“ aus den frühen 60er Jahren.

In den 50er Jahren hatte der Hersteller Allgaier Werke in Uhingen die Porsche Technik übernommen. Die 1956 neu gegründete Firma Porsche Diesel Motorenwerke GmbH in Friedrichshafen produzierte bis 1963 ca. 120.000 Traktoren, bevor sie an Renault in Frankreich abgegeben wurde. Die Ausstellung im Porsche-Traktor-Stadl ist zugleich das „Reich“ des bayerischen Ingenieurs Siggi Stadler aus Prien. Aufgewachsen auf dem Schacherbauernhof bei Burghausen hat er in seiner aktiven Berufszeit nicht nur für verschiedene Unternehmen gearbeitet, zum Beispiel für Kettner/Krones in Rosenheim oder zuletzt für die ehemalige SKW Trostberg AG in Hart an der Alz, sondern zwischenzeitlich auch als Konstrukteur für das in den 60er Jahren sehr erfolgreiche Rennteam „Evertz Porsche“. In dieser Zeit konstruierte er einen erfolgversprechenden Zweitakt-Motor für die Formel I. Dummerweise ließen in der Folge die geänderten Regeln der Formel-I-Rennen keinen Zweitakter mehr zu.

Aber die Leidenschaft ist geblieben — für die Technik, den Motor-sport und auch die Landwirtschaft. Als guter Geist des Hauses hat in den vergangenen Jahren Siggi Stadler nicht nur sein Know-how in den „fahr(T)raum“ eingebracht, sondern auch Teile seiner eigenen Sammlung an Porsche-Traktoren und sein Wissen um die Arbeit auf einem Bauernhof in den vergangenen Jahrzehnten, als ein Porsche-Diesel auch vom Wohlstand eines Landwirts zeugte. Ergänzt wird die Sammlung um viele Werkzeuge, Gerätschaften und Fotos aus der Landwirtschaft längst vergangener Tage. Was nur wenige wissen: Die heute selten gewordenen roten Porsche-Traktoren waren nicht der erste Ausflug des genialen Konstrukteurs in die Landwirtschaft. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg kamen sogenannte „Daimlerpferde“ auf großen Höfen zum Einsatz. In wenigen Wochen wird ein neu aufgebautes „Daimlerpferd“ nicht nur auf der Messe Classic Expo in Salzburg zu sehen sein — sofern Corona es gestattet — sondern in der Folge auch in Mattsee ausgestellt werden.

Die „Daimlerpferde“ waren ursprünglich als Zugmaschinen für Kanonen des österreichischen Heeres zum Einsatz in Galizien gebaut worden. Ihre Motore dienten auch in späteren Jahrzehnten als Antrieb für Materialseilbahnen auf abgelegene Bergbauernhöfe. In den 30er Jahren konstruierte Porsche einen „Volkstraktor“ und nach dem Krieg wurden selbst Mähwerke, Mähbalken und Mäh-finger entwickelt und gefertigt. Auch diese Konstruktionen sind seit kurzem im „fahr(T)raum“ zu sehen, ergänzt durch neue Simulatoren, die Besuchern, vor allem auch Kindern, das Fahrgefühl im Cockpit eines Oldtimers, auf dem Sitz eines Traktors oder selbst in der Kanzel eines historischen Doppeldeckers vom Typ Brandenburg erlauben.

Auch für dieses Flugzeug der KuK-Luftwaffe hatte Porsche den Motor konstruiert. Zum Teil mit Originalteilen wurde eine dieser Maschinen wieder aufgebaut und in die Luft gebracht. Sie hat inzwischen eine reguläre Zulassung und wird künftig in einer neuen Halle in Mattsee zu sehen sein. Zu den sensibelsten Aufträgen für Siggi Stadler im „fahr(T)raum“ zählte vor zwei Jahren die Re-konstruktion des ursprünglichen Elektroantriebs im ersten Auto-mobil des österreichischen Kaisers Franz Josef I. (Heimatwirtschaft berichtete)

Im „fahr(T)raum“ ist dieses fahrtaugliche und zugelassene Elektromobil nun ebenso zu besichtigen und zu erleben, wie der von Radnaben-Motoren angetriebene „Lohner Porsche Mixte“, den Ferdinand Porsche gegen En-de des 19. Jahrhunderts konstruiert hatte, ein Hybrid-Fahrzeug mit Benzin und Elektromotor. Von der aktuellen Corona-Krise sei die Ausstellung nur bedingt betroffen, zieht Jakob Iglhauser eine Zwischenbilanz. Wegen des Lockdowns im Frühjahr war zwar einen Monat lang geschlossen, auch die Schließung der Grenze zu Deutschland habe sich negativ auf die Besucherzahlen ausgewirkt, ebenso das Ausbleiben von Ausflugsbussen, dafür habe der Individualbesuch stark zugenommen. Der August habe bei den Einzelgästen sogar wesentlich besser abgeschnitten als Vergleichsmonate in den Vorjahren. Weitere Details im Internet: https://fahrtraum.at

Bericht und Fotos: Dr. Ernst Deubelli

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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