Der Münchner Reisejournalist Karl Stankiewitz hält die Coronakrise mit genauen Beobachtungen fest, die jüngsten Tagebuch-Einträge lauten wir folgt:
Noch schnell ein paar Ferientage im Teutoburger Wald und in den reizvollen alten Städtchen am Rande des in Bayern wenig bekannte Mittelgebirge Kein Corona-Hotspot weit und breit, kein gefährlicher Overtourism, aber Möglichkeiten zum Vergleich. Nordrhein-Westfalen scheint sich jetzt, nachdem die Infektionskurve stark angestiegen war, den Freistaat Bayern in der Hygiene-Politik überholen zu wollen. Keine Spur von „Lockerungen“, wie sie dem Landesvater Armin Laschet vorgeworfen wurden. Streng wird das Maskentragen und Abstandhalten in Bussen, Geschäften, Hotels, Museen und so weiter überwacht. Sogar beim Aufstieg zum Hermann-Denkmal werden Wanderern 150 Euro Bußgeld angedroht.
Natürlich trifft man auch hier, in Ostwestfalen, auf die üblichen Verweigerer oder Besserwisser. So mussten wir uns im wunderschönen Schwalenberg mit einem jüngeren, zunächst ganz vernünftigen Taxifahrer herumstreiten, der sich absolut nicht abfinden mag mit der vermeintlich von lügenhaften Medien manipulierten „Volksverdummung“. Seine Argumente: Zahlen von Grippeopfern in früheren Jahren („damals gab’s noch mehr Tote“) und angebliche Meinungen von Medizinern.
In der Hauptstraße von Warburg, das sein Fachwerk und Bollwerk zauberhaft über die Hügel streut, sind zwei Schaufenster mit Kindermasken drapiert. Alle farbig, lustig, zierlich. In NRW müssen nämlich seit Ende der Ferien alle Schüler ab der fünften Klasse einen Mund-Nasen-Schutz anlegen und Abstand halten, nicht nur beim Betreten des Schulhauses oder beim Austreten, sondern dauerhaft auch im Klassenzimmer. Eine staatliche Bestimmung, die möglicherweise auch den Schulkindern in Bayern bevorsteht. Am 1. September will unsere Söder-Regierung darüber entscheiden, am 7. September wird es ernst.
Tausende von Lehrerinnen und Lehrern, von Müttern und Vätern bangen jetzt der Entscheidung entgegen. Manche mögen sich fragen: Wie bringt man kleine Kinder dazu, in einem geschlossenen Raum stundenlang Mund und Nase zu verhüllen? Meine nicht repräsentative Erkundung im Urlaubs- und Probe-Ort: Betroffene stöhnen besonders wegen der Hitze im Gesicht, fügen sich aber ins Unvermeidliche, ältere Schüler natürlich eher als die jüngeren. Und eine Lehrerin klagt, sie müsse sich bemühen, fortan mit der Maske viel deutlicher und langsamer zu sprechen – und des gleichen ihren Schülern aufzuerlegen.
Eine nicht ganz ernst gemeinte Anregung: Vielleicht ließe sich die Stimmung fördern, wenn man, die fröhlichen Angebote nützend, in den Unterricht eine Art Maskenfest mit Prämierung einspielen würde. Kleinere Kinder kennen so was vom Karneval respektive Fasching und vom Nikolaus. Dazu eine makabre Erinnerung: An einem 1. September vor langer Zeit machte man uns Fünftklassler in einem Münchner Waisenhaus mit dem Beginn eines Krieges vertraut, indem man uns diese seltsamen Gasmasken über den Kopf stülpte und Marsmännchen spielen ließ. Für Kinder kann Krisengeschehen auch komisch sein.
Text und Foto: Karl Stankiewitz