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Wildenwart: Florian und seine 12 Hühner

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Lisa, Susi, Adele, Berta, Cilly komm komm komm“, flügelschlagend läuft, rennt und stolpert ein Dutzend braune Hühner daher, ein Pfiff hat sie aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Sie verlassen ihre Sandbäder und ihren Unterstand unterm großen Apfelbaum und versammeln sich rund um Florian, der da gepfiffen hat. Der 13-jährige hat ihnen ein paar Leckerbissen mitgebracht, ein paar Brocken Brot – stibitzt aus Omas Speisekammer – und eine Handvoll Sonnenblumenkerne, langsam hockt er sich nieder. Er kennt jede einzelne von den zwölf Hühnern: „das ist die Lisa, das ist die Gescheiteste von allen, das ist Adele, die ist immer hungrig, das ist die Susi, dahinten kommen Hanni und Nanni, die beiden gesperberten, die sind ein bisschen scheu. Alle zwölf haben ein anderes Gesicht, haben einen anderen Schnabel und einen anderen Kamm, oder sie tragen ihre Federn anders, man kann sie ganz leicht voneinander unterscheiden“. Er bleibt in der Hocke und ohne zu zögern springt ihm Lisa aus dem Stand auf den Unterarm und pickt die Sonnenblumenkerne aus der anderen Hand, die anderen elf drängen sich um die Knie und wollen auch etwas. Lediglich Hannibal der Hahn hält sich etwas abseits, ihm ist nicht ganz geheuer, was seine Damen mit dem Buben alles machen.

„Wir haben vor Kurzem die Zeit der Ritter in der Schule durchgenommen, dabei ging es beim Leben der Ritter im Mittelalter auch um die Jagd mit den Jagdfalken. Da habe ich mir gedacht, was die Adler und Falken konnten, das können unsere Hühner auch“. Ein Besuch bei der Greifvogelschau in Hohenaschau bestärkte ihn in seinem Vorhaben die Hühner abzurichten. „Natürlich werden aus bayerischen Bauern-Hühnern keine mittelalterliche Jagdfalken, aber schon, dass sie auf Pfiff kommen, dass sie auf den Arm springen und sitzenbleiben und dass sie aus der Hand fressen – das ist schon ein Erfolg. Man braucht einfach viel Zeit und viele Leckerlis als Belohnung, dann machen auch alle mit“. Wie bei den Kindern in der Schule gebe es auch auf dem Hühnerhof lauter verschiedene Individuen. Da ist die gescheite Lisa, die nach kürzester Zeit alles begriffen hat, was Florian von ihr will. Sie springt auf den Arm und bleibt auch längere Zeit sitzen, da ist die verträumte Berta, der die anderen das Brot sogar noch vom Schnabel wegfressen, da ist die schnelle Cilly, die immer als erste rauskommt, wenn er in der Frühe den Hühnerstall öffnet, und da sind Hanni und Nanni, die beiden unzertrennlichen gesperberten.

Ganz unversehens hat Florian zusammen mit den Hühnern auch die Verantwortung über den ganzen Hühnerstall übernommen. Hühnerfutter, Mais, Weizen, Wasser – dazu Stroh und Heu alles muss da sein. Futter muss nachgefüllt werden, der Wasserspender ist auch schon fast wieder leer. Es gibt immer etwas zu tun rund um den Stall, mit Kennermiene tastet er, wie eine alte Bäuerin, den Bauch der Henne vor dem Stall ab, ob sie heute noch legen wird oder nicht. Schließlich ist nach dem Ausmisten und dem Füttern aber immer noch genügend Zeit für ein paar Streicheleinheiten – ein Dutzend liebesbedürftiger Hennen ist halt immer noch sehr überschaubar. Und die Hühner genießen die Zuwendungen: zum ersten Mal ist es so, dass nicht nur die Haus- und Hofkatzen die Liebe ihrer Besitzer erhalten, sondern auch sie als Haus- und Hofhühner mit Liebkosungen und Kraulen am Hals und am Kopf verwöhnt werden. Und ein Gruß aus der Küche ist auf dem Hühnerhof immer bei allen willkommen – sogar Hannibal findet sich da wieder bei der Schar ein.

Man muss es ja nicht so machen, wie der Großvater von Florian: der saß gerne auf der Hausbank und schaute der Hühnerschar zu. Einmal tauchte er dabei ein Stückchen Brot in ein volles Schnapsglas, teilte es auf und die Haushennen freuten sich über den unerwarteten Genuss. Begeistert pickten sie alles bis zum letzten Brösel auf. Leider waren sie den Umgang mit Alkohol aber überhaupt nicht gewohnt und so torkelten und taumelten sie schon bald nur noch durch den Hof. „Die Oma wusste überhaupt nicht, was ihre Hühner da hatten und meinte, sie hätten sich eine schlimme Krankheit eingefangen. Als sie aber den feixenden Opa auf der Hausbank, das leere Schnapsglas und ein paar Brotbrösel sah, reimte sie sich einen Zusammenhang zusammen. Wegen beständiger Kopfschmerzen stellten die Hühner in den folgenden Tagen den Legebetrieb ein. Schnaps- oder Liköreier legten die Hühner allerdings trotz der bevorstehenden Osterzeit damals nicht“.

Bericht und Foto: Heinrich Rehberg  –  Florian fährt mit seiner Lisa spazieren


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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