Kultur

Helga Bauer vom Samerberg und Achenmühler Seeton-Keramik

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Bunt und rund in jeder Hinsicht ist das Leben von Helga Bauer vom Samerberg – ganz besonders dann, wenn man ihre Liebe und ihr Können zur Keramik und dabei die Verwendung von Achenmühler Seeton für die Glasurherstellung betrachtet. Bei einem Besuch in ihrem Haus in Hartbichl oberhalb von Grainbach gewährt Helga Bauer einen Einblick in ihre außergewöhnlichen Tätigkeiten.

„Die Glasuren für meine Arbeiten stelle ich selbst her. An der Kunsthochschule in Hamburg durfte ich von 1961-Ende 1965 im Rahmen der Volks- und Realschullehrerausbildug (Wahlfach Werken) bei Prof. Jan Bontjes van Beek die Ausbildung in Keramik genießen. Hier lernte ich neben dem Formen und Herstellen von Drehton und Aufbauton das Herstellen und Beurteilen von Glasuren. Damals habe ich auch schon unter der Anleitung von Prof. Jan Bontjes van Beek Glasurenversuche mit einem Lehm von der Ostseeküste gemacht“ – mit diesen einführenden Worten erinnert die in Aschau i. Chiemgau geborene Künstlerin an den Beginn einer bis heute anhaltenden Keramik-Leidenschaft.  1983 erfüllte sie sich einen lange gehegten Wunsch mit der Einrichtung einer eigenen Keramikwerkstatt im Wohnhaus in Hartbichl. Seitdem beschäftigt sie sich mit keramischer Arbeit mit Glasurentwicklung (Asche- und Lehmlglasuren) sowie mit dem Aufbauen und Drehen von keramischen Gefäßen und Objekten.

Achenmühler Seeton in Rohrdorfer Baugrube entdeckt

Für ihre Arbeit hat Helga Bauer einen Elektroofen, der Westerwalder Steinzeugton und Porzellantone bei 1240°C  brennt. Der Scherben dieser Keramiken wird durch die hohe Brenntemperatur glasartig verdichtet, ist also nahezu wasserdicht und ist somit für die Spülmaschine und Mikrowelle geeignet. Erstmals mit dem Seeton in der Samerberger Nachbarortschaft Achenmühle (Gemeinde Rohrdorf) kam Helga Bauer bei einer dortigen Baugrube in Verbindung. Hierzu erinnert sie sich wie folgt: „Es war im Jahr 1983 als ich des öfteren an einer großen Baustelle vorbeikam und sah, wie lastwagenweise dunkler Ton abgebaut wurde. Da bat ich den Fahrer, mir eine Fuhre nach Hartbichl zu fahren, gab ihm dafür ein Tragerl Bier und ich probierte den Ton aus. Der Ton ließ sich gut drehen, bei der Brenntemperatur von 950°C hat er eine hellrote Farbe. Allerdings bei 1040°C wurde er bräunlich und bekam Risse.  Dann stellte ich mal eine Probe in den Glattbrand bei 1240°C in den Ofen, da schmolz er aus zu einer Glasur. So wusste ich, dass man mit diesem Ton Glasuren machen kann und begann damit zu experimentieren. Ich hab dann nur noch mit Westerwälder Steinzeugton getöpfert und war fasziniert davon, welch schöne Glasuren man mit dem Seeton machen kann. Anregungen über das Glasieren mit Ton holte ich mir aus der Fachliteratur. Man nennt diese Glasuren „Lehmglasuren“. Der Achenmühler Ton ist feiner als Lehm, man nennt ihn deshalb nach Auskunft von Robert Darga vom Naturkunde-Museum Siegsdorf „Achenmühler Seeton“.

Dieser Achenmühler Seeton   besteht aus feinsten Ablagerungen des Inngletschers nach der letzten Eiszeit (Würmeiszeit). Die Geschiebe der Gesteine des Inngletschers kommen bis vom Ötztal und Engadin her. Somit haben sich die feinsten Abriebe von verschiedenen Gesteinen unseres Alpenraums in Achenmühle abgesetzt.

Ihre Erfahrungen mit dem Seeton von Achenmühle hält Helga Bauer wie folgt weiters fest: „Die Vielfalt von Mineralien gibt dieser Lehmglasur ein lebendiges Aussehen. Somit kann ich aus diesem Seeton auch eine echt ausgeschmolzene seidenmatte Glasur herstellen. Echt ausgeschmolzen heißt: Wenn sich ein Bleistiftstrich von der Glasur abwischen lässt. Ich machte viele Versuchsreihen mit diesem Seeton indem ich Gesteinsmehle (Feldspat, Quarz, Kalkspat usw.) dazu mischte. Wegen der hohen Brenntemperatur von 1240°C kann ich auf die giftigen Flußmittel wie Blei und Cadmium völlig verzichten! In Keramik-Fachbüchern habe ich auch Informationen über die Verwendung von Aschen für Glasuren bekommen. So stellte ich mir selbst Aschen von verschiedenen Hölzern her, mischte diese mit dem Achenmühler Seeton und mit Gesteinsmehlen und letztlich erhalte ich bei der hohen Brenntemperatur auch schöne Glasuren. In unserem südbayerischen Raum ist das Glasieren mit Lehm und feinerem Seeton wenig bekannt. Doch die Bunzlauer Keramiken, die dunkelbraun glasierten, lebensmittel-geeigneten „Rahmhaferl“ werden bei uns schon lange verwendet. Dieses Steinzeug wird bei ca. 1300°C gebrannt, die Glasur besteht aus rotbraunem Lehm, Aschen und Feldspat. Auch diese Glasur ist bleifrei und cadmiumfrei“.

Für Leute, die sich näher für den Achenmühler Seeton interessieren, empfiehlt sie die Veröffentlichung von Robert Darga „Wanderungen in die Erdgeschichte“ mit dem Beitrag „Auf den Spuren des Inn-Chiemsee-Gletschers“ (ISBN 978-3-89937-103-1).

Die Herstellung von Keramiken erfüllt Helga Bauer und so zeigt sie ihre farbigen und ideenreichen Erzeugnisse gerne bei Handwerker-Märkten oder nach vorheriger  telefonischer Anmeldung (Tel. 08032-8763) bei ihr zu Hause in Hartbichl. Beispiele ihrer Produkte finden sich auch auf ihrer neuen Internetseite www.helga-bauer-keramik.de. Wenn man Helga Bauer fragt, was sie neben dem Achenmühler Seeton noch besonders fasziniert hat, sagt sie: „Die chinesischen Keramiken der Sungzeit (um 1200 nach Chr.) bewundere ich am meisten. Im Original konnte ich sie bei Reisen nach Japan in den Jahren 2000, 2007 und 2017  in Tokyo, Kyoto und Osaka bewundern, ebenso 2015 in Hongkong“.

Fotos: Rainer Nitzsche – Helga Bauer und ihre aktuellen Keramik-Werke

Fotos: Hötzelsperger –   Ausstellungswerke  in Rosenheim

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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