Brauchtum

Schäffler tanzten am Taufkirchener Rathausplatz

Als die Pest, die 1517 und 1519 in München wütete, am Erlöschen war, kämpften die Schäffler als erste gegen die allgemeine Mutlosigkeit und Traurigkeit an, indem sie auf Straßen und Plätzen ihren Reigentanz aufführten. In Velden  gibt es den Schäfflertanz seit 1908 und er wird alle sieben Jahre in der Faschingszeit von der Veldener Faschingsgesellschaft aufgeführt. Am „Unsinnigen Donnerstag“ kamen die Veldener Schäffler zu einem Ehrtanz in die Vilsgemeinde Taufkirchen zum Rathausplatz, wo bereits rund 200 Ortsbewoihner, Freunde, Bekannte und Schäfflerfans auf ihren Auftritt warteten.

Auf Einladung zeigten dreißig schneidige Schäffler, sieben Kasperl, die beiden Faßlschlager, Reifenschwinger, die Faßlbuam und der Kronenträger ihren schwungvollen, harmonisch einstudierten und von den prachtvollen Farben der Trachten verschönten Reigentanz. Begleitet wurden die Schäffler von den Mitgliedern der Musikkapelle, unter der Leitung von Bartl Zuhr. Sie tanzten nach der bekannten Melodie: „Aber heit is koid, aber heit is koid, aber heit is sagrisch koid. Der Schäfflertanz spannt den Bogen über fast 500 Jahre schreckliche Zeit, als die Pest in den Jahrten 1463, 1515 und 1517 die Landeshauptstadt München heimsuchte und Tausende an der Krankheit starben. Die Wirtsfamilie Xaver Rampl bedankten sich für diesen gelungenen Ehrentanzes im Namen der gesamten Bürgerschaft und lud zum gemeinsamen Umtrunk und Abendessen ein

Fassmacher erinnern ans Pestjahr 1517 – Veldener Schäffler pflegen nach sieben Jahren wieder Tradition mit Tanz und Reifenschwinger

Der Legende nach geht der traditionelle Brauch, den die Schäffler pflegen, auf das Münchner Pestjahr 1517 zurück. Grauen und Angst vor dem schwarzen Tod herrschten damals in jedem Haus. Auch nach dem Abklingen der Seuche wagte sich lange niemand vor die Tür, bis die Schäffler kamen. Diese jungen Fassmacher zogen mit ihren geschmückten Fassreifen singend und tanzend durch die Straßen, um den Bürgern wieder Lebensmut zu signalisieren.

Die Begeisterung für diesen Tanz fand in ganz Bayern Nachahmer und hat sich zu einer festlichen Tradition entwickelt. Alle sieben Jahre sind die Veldener Schäffler der Faschingsgesellschaft mit ihren insgesamt 30 Mitwirkenden, Tänzer, Kasperl, Kronenträger, Fasslschläger und Reifenschwinger mit ihren Musikanten unterwegs, um die Leute wieder ins Freie und zum miteinander Ratschen zu bringen, sowie es ihre großen Vorbilder der Legende nach im Jahr 1517 in München nach der Pest getan haben und somit die Tradition aufrechterhalten. 150 Auftritte und Ehrentänze haben sie jedes Wochenende bis zum Faschingsdienstag, 25. März zu absolvieren.

Traditionen vermitteln und Freude der Bevölkerung bringen, das sei die Aufgabe der Schäffler. Die erste Schäfflergruppe in der Velden an der Vils wurde im Jahre 1908 ins Leben gerufen. Der erste Schäfflertanz in Velden an der Vils wurde 1908 aufgeführt. Ein aus Mühldorf stammender Bräubursch arbeitete bei einer Veldener Brauerei. Er war vorher lange in München beschäftigt und dort auch Mitwirkender des Schäfflertanzes. Zusammen mit einigen Veldenern besuchte der Bräubursch 1907 den Schäfflertanz in München. Bei der Heimfahrt mit dem Zug fassten sie den Gedanken, im folgenden Jahr den Tanz in Velden aufzuführen und der erwähnte Mühldorfer Bräubursch studierte 1908 mit großer Begeisterung den ersten Schäfflertanz in Velden ein.

Bereits beim Tanz 1908 waren einige Turner in der Gruppe und so übernahm 1929 der Turn- und Sportverein die Aufführung des Schäfflertanzes. Trotz der Wirren des herannahenden Zweiten Weltkrieges fand 1939 unter den strengen Augen der NSDAP der Schäfflertanz in Velden statt. Im Nachkriegswinter 1949 erfüllte der Schäfflertanz aufs Neue seinen Sinn. Während Deutschland in Schutt und Asche lag, fand sich eine mutige Gruppe aus den Reihen der Faschingsgesellschaft zusammen und ließ mit Entschlossenheit und Idealismus dieliebgewordene Tradition wieder aufleben. In den Jahren 1957, 1964, 1971, 1978, 1985, 1992, 1999, 2006, 2008 zum 100-jährigen Jubiläum und 2013 führten die „Veldener Narren“ den Schäfflertanz in Velden auf. Für die Tänzer, Reifenschwinger, Fasslschlager, Kronenträger und Clowns sowie die Schäfflerkapelle beginnt damit eine kurze, aber anstrengende Saison.

Die Schäffler tanzen mit grünen Buchsbaumreifen um ein geschmücktes Bierfass, ihren Figurentanz,  angeführt von einem Vortänzer und begleitet von einigen Kasperln, die das Publikum unterhalten. Zu den Klängen einer Blaskapelle schwingen sie ihre grünen Buchsreifen, während sich der Vortänzer auf das Fass stellt und eine respektive artistische Leistung zu vollbringen hat: Das Lied „Aber heit is koit, aber heit is koit…“. Dazu schwengt der Vortänzer zwei Fassreifen, in denen ein gefülltes Glas Schnaps steht , von dem kein Tropfen verloren gehen soll.  „Aber heid is‘ koid, aber heid is‘ koid“ – wenn diese Melodie erklingt, weiß man in der Vilsmarktgemeinde Velden und weit darüber hinaus. Die Schäffler begrüßen mit ihren farbenfrohen Tanz die fünfte Jahreszeit.

Mit dem Geld, das die Schäffler einspielen, werden Busfahrten, Musiker und vor allem das G’wand der neuen Tänzer finanziert: Rote Jacken, schwarze Hosen, weiße Strümpfe, braune Lederschurz und die grüne Kopfbedeckung. In dieser Kleidung führen die Schäffler die traditionellen Figuren auf. Die Fasslträger treiben mit ihren Werkzeugen symbolisch einen Reifen im Rhythmus der Musik auf ein Bierfass. Die Reifenschwinger brauchen viel Konzentration um im Reifen ein gefülltes Schnapsglas zu schwingen, ohne das ein Tropfen verschüttet wird, damit bei den Aufführungen der Trinkspruch, mit denen die Schäffler alle Bewohner der Stadt ihre Gäste hochleben lassen auch ganz genau funktioniert.

Die Schäffler lösen mit ihrem Hobby ein Versprechen ein: Alle sieben Jahre soll der Schäfflertanz aufgeführt werden, um von der Pest verschont zu bleiben. Bewegungen, Abläufe und Kommandos sitzen wie damals, nur mit einer Tradition wurde gebrochen: von den Tänzern, die früher ledig sein müssen, sind heute viele verheiratet. Und dies wiederum zeigen ihre Wertschätzung und Verehrung für das Engaement und die Arbeit „Ihrer“ Schäffler, indem sie sich nach Kräften, ideell und materiell und vor allem mit tosendem Applaus nach jedem einzelnen Auftritt unterstützen.

Mit Wehmut wird der letzte Tanz am Marktplatz am Faschingsdienstag, 25. Februar um 19 Uhr erwartet. Nach etwa 150 Aufführungen wird im Licht der Scheinwerfer zum letzten Mal der Schäfflertanz gezeigt, bevor es im Jahr 2027 wieder heißt „Aba heid is koid“.

Bericht und Fotos: Hans Kronseder


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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