Von Freitag, 28. Juli bis Sonntag, 30. Juli findet beim Oberen Lechgau das Gautrachtenfest in Füssen statt.
Ortsgeschichte
Bereits 47 n.Chr. diente das Kastell Foetibus als Etappe an der römischen Via Claudia Augusta nach Augsburg. Durch den später heilig gesprochenen Mönch Magnus entstand im 9. Jhd. – mit Unterstützung der Augsburger Bischöfe – eine erste christliche Keimzelle im Allgäu. Das Kloster St. Mang übernahm für über tausend Jahre eine Schlüsselposition zur Sicherung der kaiserlichen Politik und führte die Region zur Blüte. Die Stadterhebung Füssens wird zum Ende des 13. Jhd. vermutet. Bereits 1313 spricht ein Dokument von der Verpfändung der Vogtei Füssen an den Bischof von Augsburg.
Anfang des 16. Jhd. verlegte Kaiser Maximilian I., der so genannte „letzte Ritter“, seinen Regierungssitz nach Füssen und verweilte insgesamt vierzigmal in der Stadt. Das malerische „Hohe Schloß“ mit einem der schönsten gotischen Burghöfe Süddeutschlands wurde zum politischen Zentrum des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Durch die Kaiserbesuche mit großem Gefolge und die Lage an der alten Handelsstraße, blühten Handel und Handwerk.
Den Aufstieg Füssens zur europäischen Wiege des gewerbsmäßigen Lautenbaus, dokumentiert die erste Lautenmacherzunft Europas die hier 1562 gegründet wurde. Gemäß dieser Zunftordnung mussten viele neue Meister und Gesellen abwandern. Zwei Drittel aller Lautenmacher im Venedig und Padua des 16. und 17. Jhd. stammten aus Füssen.
Während des Barocken Zeitalters schuf der geniale Baumeister Johann Jakob Herkomer eine gewaltige Klosteranlage mit imposanter Basilika. Die großen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts führten in der kleinen Grenzstadt zu immer stärkerer Verarmung. Mit der Säkularisation des Klosters St. Mang im Jahr 1802 und der Eingliederung des Hochstifts Augsburg in das Kurfürstentum Bayern fiel Füssen endgültig in einen Dornröschenschlaf.
Zwischen 1829 und 1837 weilte Kronprinz Maximilian, der spätere König Maximilian II. von Bayern, im Hohen Schloß und überwachte von hier den Bau von Schloß Hohenschwangau. In dessen späte Regierungszeit fällt 1861 die Gründung der „Mechanischen Seilerwaarenfabrik Füssen“ in der Allgäuer Flachs und später Hanf zu Zwirn, Fäden und Seilen verarbeitet wurde. Der Anbau von Flachs prägte über Jahrhunderte weite Regionen des Allgäus und seine blauen Lein-Blüten dominierten in der Voralpenlandschaft so, daß man vom „Blauen Allgäu“ sprach.
Vereinsgeschichte
Als größte Arbeitgeberin der Region zog die „Mechanische Seilerwaarenfabrik Füssen“ neben Einheimischen auch Arbeiter aus anderen Gegenden Bayerns an. Darunter waren drei junge Burschen aus Hausham, Tölz und Miesbach, die ihre Tracht und ihre Liebe zum Schuhplatteln mit nach Füssen brachten. Die Fabrik verfügte auf ihrem Gelände über das eigene Wirtshaus „Zum Mineralbad“, humorvoll Gifthütte genannt. Bei den hier regelmäßig stattfindenden Zusammenkünften initiierten der Füssener Bernhard Klopfer, die drei Oberlandler und weitere neun Kollegen am 17.11.1900 die Gründung des „Alpenclub Edelweiß und Almenrausch“. Das Tragen der Tracht und ein guter Leumund waren Voraussetzung zur Aufnahme. Sitte, Brauchtum, Volkstanz und -musik zu pflegen, Pflicht. Die Aufnahmegebühr betrug 50 Pfennige, der Monatsbeitrag 20 Pfennige.
Der Wunsch zur Umbenennung des Vereins wurde verwirklicht. Namensgeber war das imposanteste Gebäude in der Nacbarschaft: Schloß Neuschwanstein. Vorstand Franz Grum verhandelte mit der Kronverwaltung SM König Otto I. von Bayern und erwirkte zum 3.1.1905 die Genehmigung des neuen Vereinsnamens „Gebirgstrachten-Erhaltungsverein D’Neuschwanstoaner Füssen“.
Als Vereinstracht wurde für die Männer die kurze bestickte Lederhose, eine graue Lodenjoppe, weißes Leinenhemd mit Umlegkragen, blaue Krawatte, grüner Hut mit Schmuck, graue Wadenstrümpfe und schwarze Haferlschuhe festgelegt. Die Frauen trugen einen grauen Lodenrock mit zwei grünen Samtstreifen, weiße Bluse, schwarzes Mieder mit Silberhaken, Miederkette mit Silbertalern und Schmuck nach „oberbayerischer Art“ blaues Umschlagtuch und weiße Schürze.
Die Weihe der ersten Fahne erfolgte am 1. 9.1907 mit dem Paten D’Illertaler/ Untermaiselstein. Das dreitägige Fest krönte ein großer Festzug unter Teilnahme weiterer Vereine (Alpseer/Immenstadt, Neubeurer/München, Achtaler/Pfronten, Älpler/Trauchgau, Alpenrose/Oberhausen, Bayerischer Rigi/Hohenpeißenberg, Ammertaler/Unterpeißenberg, Alm-frieden/Steingaden, Plankastoana/ Schaftlach, Ostrachtaler/Hindelang, Wendelstoana/Penzberg so wie Trachtlern aus Prem und Reutte).
Am 10.5.1908 beteiligte sich der Verein an der Gründung des Lechgau-Verbands (Mitgliedschaft bis 1912). Dessen drittes Gaufest wurde 1910, verbunden mit dem 10. Stiftungsfest der Neuschwanstoaner in Füssen gefeiert. Der Ausbruch des I. Weltkrieges führte zum Erlahmen des Vereinslebens, die erste Nachkriegs-Generalversammlung fand erst 1919 statt.
Unter Mitwirkung der Vereinsmitglieder wurde am 24.10.1920 in Buching der Obere Lechgau-Verband mit Sitz in Füssen gegründet. Auf die Beschwernisse des Krieges folgte die Inflationszeit, die monatlichen Mitgliedsbeiträge für aktive bzw. passive Mitglieder betrugen 300 Mark bzw. 1.000 Mark. Der Vereinsdiener erhielt pro Gang eine Milliarde Mark. Die Aufnahmegebühr wurde auf den Wert von einer Maß Bier, der Monatsbeitrag auf eine Halbe Bier festgelegt.
1924 stifteten zwei Gründungsmitglieder den so genannten Ballotagekasten, der bis heute zur geheimen Abstimmung bei der Aufnahme neuer Mitglieder dient. Per Gaubeschluss wurde 1925 die graue Männerjoppe in eine blau-grüne getauscht, die Frauen tragen seither anstelle der weißen, eine blaue Schürze. Im gleichen Jahr wurde das Stiftungsfest zum 25-jährige Bestehen des Vereins zusammen mit dem 5. Gaufest und der Fahnenweihe der Kranzbergler/München in Füssen gefeiert. 1926 durften Frauen erstmals in Tracht an der Fronleichnamsprozession teilnehmen. Die Allgäuer Heimatabende mit Musikgruppe, Gesangsquartett, Männerchor und Plattlergruppe entwickelten sich ab 1927 mit großem Erfolg.
Im April 1933 weilten zur Gauführertagung Delegierte von über 800 deutschen Trach-tenvereinen in Füssen. In einer außerordentlichen Ausschusssitzung wurde bereits im Juli 1933 beschlossen, „alles daransetzen zu wollen, den alten, angestammten Vereinsnamen und unsere Tracht zu erhalten“. Das Vereinsleben verlief weitestgehend normal, man veranstaltete Alpenbälle und Heimatabende für die vielen Gäste, die nach Füssen kamen. Mit Beginn des 2. Weltkriegs schlossen sich die Vereine aus Füssen und Schwangau zu gemeinsamen Heimatabenden zusammen. Aus dem Oberen Lechgau-Verband wurde das „Heimatgebiet Oberer Lech“ und aus dem Gauvorstand der „Heimatgebietsführer“. Schleichend kam es ab 1941 bis Kriegsende zum allmählichen Stillstand aller Vereinsaktivitäten.
Nach der Neulizenzierung des Vereins durch die Militärregierung erfolgte 1946 die Gründung einer Jugendgruppe. Der erste Heimatabend nach dem Krieg wurde im Oktober 1947 durchgeführt.
Als ältester Verein im Gau sowie als Stammverein für weitere Trachtenvereine im Allgäu und darüber hinaus trägt der Verein in Übereinkunft mit dem Oberen Lechgau-Verband seit 1947 den Zusatz „Stamm“ im Namen.
1950 stand im Zeichen des 50. Gründungsfestes, verbunden mit dem 30-jährigen Gründungsfest des Oberen Lechgau-Verbands. Die Gründungsmitglieder Josef Machenschalk und Bernhard Klopfer konnten dieses Fest noch miterleben. Die Feldmesse wurde auf dem Baumgarten gefeiert. Die alten Glocken, die während des II. Weltkrieges eingeschmolzen worden waren, erklangen wenigstens vom Tonband über Lautsprecher. Den Festzug gestalteten 48 Vereine, 12 Musikkapellen und 3 Festwagen.
Im Mai 1954 fuhren die Vereinsmitglieder nach Leutstetten, um am Trachtenumzug zu Ehren des 85. Geburtstages von Kronprinz Rupprecht teilzunehmen. Die Weihe der zweiten Fahne mit den Lechgauer/Prem fand am 19.5.1963 statt.
1972 brachte das 45. Gaufest des Oberen Lechgau-Verbandes 10.000 Besucher nach Füssen. 1974 komponierte Mitglied Karl de Vorschee den „Neuschwanstoaner Marsch“, den er dem Verein widmete und im Bayerischen Rundfunk gesendet wurde. Im Frühsommer 1977 weilten 70 Mitglieder aufgrund einer Einladung der Oberlandler/Milwaukeem zum 6. Gaufest des Nordamerika-Gaus in den USA. Beide Vereine verbindet eine enge, heuer 50-jährige, Freundschaft.
Bei der Weihe der Gau-Standarte des Obere Lechgaus in der Basilika St. Mang standen die Neuschwanstoaner 1978 als ältester Verein und Stammverein des Gaus Pate. Zusätzlich stellte der Verein für mehr als dreißig Jahre die Gauvorstände.
Die Chroniken der letzten zwanzig Jahre des ausgehenden 20. Jhd. verzeichnen rege Aktivitäten in vielen Bereichen der Brauchtumspflege. Für die Zukunft gab sich der Verein im November 1997 eine eigene Satzung und ist seitdem als eingetragener Verein registriert. Das 100-jährige Jubiläum wurde im Juli 2000 zu einem großen dreitägigen Fest samt Festumzug mit 90 teilnehmenden Vereinen und über 15.000 Besuchern. In dieser Zeit lenkte Erwin Reichmann als Vorstand den Verein (1997 bis 1999 als. 2. Vorstand, 1999 bis 2006 als 1. Vorstand). Neben seinem Engagement zum Gaufest führte er den Brauch des Funkenfeuers in Bad Faulenbach wieder ein.
In der folgenden Zeit arbeiteten die Mitglieder auch im gotischen Kornhaus der Stadt Füssen, dem so genannten Feuerhaus, an den neuen Vereinsräumen, um sie ab 2007 vielfältig zu nützen. Von 2006 bis 2014 war Frank Lorenz mit dem Posten des 1. Vorstands betraut. 2014 wurde die Satzung erneuert und angepasst: die Verantwortung im Hauptvorstand ruht nunmehr auf fünf gleich berechtigten Vorständen, die aus ihrer Mitte jährlich neu einen Sprecher sowie dessen Stellvertreter berufen. Diesen Positionen halten seitdem Richard Hartmann und Bastian Kirchner inne.
Seit 2014 verwirklicht die Vorstandschaft eine Vielzahl von Projekten, mit dem Ziel, Tradition und Brauchtum in unserer Heimat zu bewahren und Verein zu sein für Menschen jeden Alters, und so Heimat und Geborgenheit zu geben in einer zunehmend unpersönlicheren Welt.
Neben der regulären Vereinsarbeit, gibt es dabei zwei Schwerpunkte. Zum einen finden jährlich in enger Zusammenarbeit mit der Grundschule Füssen-Schwangau Aktionstage mit ca. 550 Schülern statt. Daraus resultierte das Projekt MundART WERTvoll, das in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Trachtenvereinen aus Hopfen, Weißensee und Schwangau entstanden ist. Dieses „Leuchtturmprojekt“, vermittelt Geschichte, Dialekt und Brauchtum. 2016 erhielten die beteiligten Vereine für dieses Projekt vom Wertebündnis Bayern und der Universität Augsburg eine Auszeichnung. Zum anderen erfolgte seit 2012 die Wiederbelebung einer Historischen Füssener Bürgertracht. Mit Unterstützung der Stadt Füssen und der Sparkassenstiftung Allgäu konnten zwölf alte, schwäbische Radhauben erworben werden. 2017 wurden zur 300-Jahrfeier der Kirchenweihe der barocken Basilika St. Mang erstmals Hauben und ein Teil der neuen Historischen Gewänder von Mitgliedern des Vereins präsentiert.
Resümee
Bald sechs Generation und weit über 1.000 Mitglieder haben in über einem Jahrhundert Traditionen und Brauchtum beim Gebirgstrachten- und Heimatverein D’Neuschwanstoaner Stamm Füssen e.V. gelebt. In regelmäßigen Sitzungen und Diskussionen wird die Arbeit aller im Verein hinterfragt und mit neuen, zukunftsweisenden Ideen inspiriert. Der Verein lebt nicht nur in der Vergangenheit, sondern sieht es als konkrete Aufgabe, durch seine Arbeit die Werte weiter zu geben, die dies „wert“ sind.
Der älteste Trachtenverein im Ostallgäu, aus dessen Stamm sieben weitere Patenvereine hervor gingen, zählt zu den fünfzig ältesten Trachtenvereinen Bayerns. Mit viel Idealismus haben die 200 Mitglieder des Vereins in den letzten Jahren dafür gesorgt, daß örtliches Brauchtum, Bräuchen, Dialekt und Mundart lebendig bleiben. D`Neuschwanstoaner schauen mit Stolz in die nahe Zukunft.
Das 90. Gaufest des Oberen Lechgau-Verbands findet vom Freitag, 28. bis Sonntag, 30. Juli 2017 in Füssen statt. Es ist für alle eine große Freude, als Gründungsmitglied des Oberen Lechgau-Verbands dessen Gaufest, heuer zum fünften Mal in Füssen, unter der Schirmherrschaft SKH Herzog Franz von Bayern, ausrichten zu dürfen.
„Mir hoißat Uib herzlichscht willkumma in eisram scheana Schtädle und wünschat griabige und uvergesslicha Schtund!“