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51. Andechser Europatag der Paneuropa-Union Deutschland

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Zu einer „deutlichen Akzentverschiebung“ gegenüber dem Macron-Papier von Annegret Kramp-Karrenbauer hat der CSU-Europapolitiker Bernd Posselt die Unionsparteien aufgefordert. Als Präsident der überparteilichen Paneuropa-Union Deutschland appellierte er bei deren 51. Christlichen Europatag im oberbayerischen Kloster Andechs an die CDU-Chefin, mehr auf ein übernationales und demokratisches Europa der Institutionen und weniger auf bloße zwischenstaatliche Zusammenarbeit zu setzen, „denn die macht Europa handlungsunfähig, steht für Blockade und Bürokratie.“ Die Paneuropa-Union als 1922 gegründete älteste europäische Einigungsbewegung befürworte stattdessen das Konzept des europaweiten EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber, das Europaparlament massiv zu stärken und die von ihm gewählte EU-Kommission zu einer demokratisch legitimierten, echten Europäischen Regierung auszubauen. Dies bedeute keinesfalls Zentralismus, so Posselt, aber da, wo mehr Europa gebraucht werde, wie in der Außen-, Verteidigungs-, Sicherheits-, Zuwanderungs- und Klimapolitik, könne die zwischenstaatliche Zusammenarbeit höchstens ein Zwischenschritt sein und müsse rasch durch echtes gemeinschaftliches Handeln abgelöst werden. Im Inneren der EU gelte es im Sinne eines „Europa als Heimat der Heimaten“, Zellen der Freiheit zu festigen, „wie die Region, die Volksgruppe, die kommunale Selbstverwaltung, die Familie und andere Selbsthilfekräfte der Gesellschaft sowie das christliche Menschenbild.“

Der 51. Andechser Europatag stand unter dem Motto „Freiheit in Gefahr?“ Moderiert vom Vizepräsidenten der Paneuropa-Union Deutschland Dr. Dirk Voß diskutierte ein Podium von Menschenrechtlern und Journalisten die äußeren und inneren Bedrohungen, mit denen Europa heute konfrontiert ist. Voß erinnerte an Vorkämpfer der Paneuropa-Idee gegen den Kommunismus, die ihr Engagement mit Gefängnis, Zwangsarbeit oder Exil bezahlen mußten, wie den jüngst verstorbenen tschechischen Bürgerrechtler Prof. Rudolf Kučera und den Pionier der ungarischen Demokratiebewegung Stephan Graf Bethlen. Heute gelte es Alarm zu schlagen, weil sowohl im Deutschen Bundestag als auch im Europäischen Parlament wieder starke totalitäre Kräfte von Links und von Rechts säßen. Der Völkerrechtler verwies darauf, daß die EU sich als Gemeinschaft sowohl der Freiheit als auch des Rechts definiere: „Diese beiden Begriffe gehören untrennbar zusammen.“

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Paneuropa-Jugend Deutschland Johannes Volkmann, der fast ein Jahr in China studiert hat, beschrieb die Rückwärtsentwicklung des kommunistischen Systems dort, das durchaus an seinen ideologischen Wurzeln festhalte. Gleichzeitig expandiere diese Weltmacht nicht nur auf anderen Kontinenten, sondern auch in Europa. Als Beispiele nannte Volkmann den Aufkauf des Hafens von Piräus durch Peking, das griechische Veto, mit dem die chinesische Führung das in der EU-Politik noch vielfach vorhandene Einstimmigkeitsprinzip etwa 2017 genutzt habe, und das systematische „divide et impera“ durch die Außenpolitik des Reiches der Mitte auf der Basis der „han-chinesischen Machterweiterung“. Die Idee einer „neuen Seidenstraße“ sei ein Vehikel expansiver Wirtschaftsmacht, die ökonomische Ziele in den Dienst außenpolitischer stelle. Volkmann skizzierte auch das Dominanzstreben Chinas auf dem Balkan, wo vor allem Serbien zur Bastion Pekings ausgebaut werde, obwohl seine Investitionen dort nur ein Zwölftel der europäischen ausmachten. Mit Blick auf die aktuelle Debatte um Huawei unterstrich er: „Es gibt in China keine Konzerne, ja nicht einmal kleine Unternehmen, die vom politischen Einfluß unabhängig sind.“

Der „Rußland-Freund und Putin-Kritiker“ Boris Reitschuster, 16 Jahre lang Moskau-Korrespondent deutscher Medien, hob hervor, daß die Stärke des Kreml oft nur die Schwäche der Europäer sei. Es gebe in Rußland „keinerlei Freiheit, die Macht öffentlich zu kritisieren“. Der Verfasser erfolgreicher Rußland-Bücher analysierte die Faszination, die für viele Menschen im Westen vom russischen Präsidenten ausgehe, weil er mit seinem Macho-Gebaren als nicht so langweilig empfunden werde wie viele demokratische Politiker und außerdem als ehemaliger KGB-Mann eine meisterhafte, auf Lügen aufgebaute Propaganda betreibe. Putins aggressive Haltung gegenüber dem Westen entspringe seiner Ansicht, daß dieser dekadent sei – „und wenn er, der gut Deutsch spricht, sich uns in unserem Fernsehen betrachtet, fühlt er sich darin bestärkt.“ Reitschuster setzte sich kritisch mit der Rolle von Moskauer Lobbyisten in der deutschen Politik auseinander und nannte den ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Sie machten sich zu Instrumenten des russischen Präsidenten, der sich in seinem Land auf „mafiöse und kriegstreiberische Strukturen“ stütze.

Der Präsident des in München ansässigen Uigurischen Weltkongresses, Dolkun Isa, schilderte auf erschütternde Weise den Leidensweg seines Volkes. Dessen Heimatregion sei 1949 von China besetzt worden und sei fünfmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Unter dem Vorwand, die Uiguren als Muslime seien Terroristen, strebe Peking nach einer Auslöschung der Identität dieses Volkes, wobei es um die Handelsrouten der neuen Seidenstraße sowie bedeutende Vorkommen von Öl, Uran und Gold gehe. Zwei bis drei Millionen seiner Landsleute seien in so genannten „Umerziehungslagern“ brutalen Übergriffen ausgesetzt, kämen dort zu Tode oder würden gefoltert. Seine 87-jährige Mutter sei nach einem Jahr im Lager gestorben, sein 90-jähriger Vater ebenso spurlos verschwunden wie zwei seiner Brüder. Der Präsident und 380 Professoren der uigurischen Universität seien dort inhaftiert, weil sie ihre Wissenschaft in ihrer Muttersprache, die jetzt verboten sei, hätten ausüben wollen. Die Moscheen seien abgerissen worden oder dürften nicht betreten werden, und alle uigurischen Koran-Ausgaben wurden verbrannt. Dolkun Isa appellierte an die Europäer, diese Verfolgung gegenüber den chinesischen Machthabern verstärkt zu thematisieren – im Sinne des „Nie wieder“, das man sich nach den KZs des 20. Jahrhunderts geschworen habe.

Die aus Bosnien stammende Leiterin der Münchner Balkan-Tage, Sadija Klepo, Redakteurin von Radio Lora, berichtete über die nach wie vor offenen Wunden Südosteuropas seit dem Belgrader Angriffskrieg von 1991. So verwies sie auf die massenhafte Auswanderung junger Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und dem ganzen westlichen Balkan. Die gesamte Region drohe auszubluten. Sie rief die Europäische Union zu größeren Anstrengungen auf, um den Südosten unseres Erdteiles zu stabilisieren, weil dort Rußland, die Türkei und arabische Mächte bestrebt seien, das Vakuum auszufüllen. Sie warnte vor der Radikalisierung des traditionell sehr toleranten, europäischen Islam durch Kräfte von außen sowie vor dem systematischen Aufkauf von Wasserquellen durch Araber in Bosnien: „Die Auseinandersetzung der Zukunft wird ums Wasser gehen, und wenn wir Europäer nicht aufwachen, wird es plötzlich zu spät sein.“ Die Journalistin dankte der Paneuropa-Union Deutschland und ihrem Präsidenten Bernd Posselt für ihre Unterstützung der Balkan-Tage, bei denen alle betroffenen Volksgruppen in harmonischer Weise zusammenarbeiten: „Vor dreizehn Jahren hat niemand an unser Projekt geglaubt außer Ihnen. Heute ist es europaweit anerkannt.“ Aus einer Wochenend-Veranstaltung in München sei inzwischen ein ganzer Monat voller kultureller und politischer Programme geworden, darunter eine einzigartige Querschnitts-Schau von Filmen vom und über den Balkan in oberbayerischen Kinos und Kulturzentren.

Der tschechische Journalist und „paneuropäische Pädagoge“ Jaroslav Šonka äußerte sich besorgt darüber, daß die ehemals sowjetisch unterdrückten Staaten Europas dreißig Jahre nach ihrer Befreiung durch engagierte und mutige Bürgerrechtler wieder mehrheitlich in ein altes kommunistisches und nationalistisches Denken zurückzufallen drohten. Dies liege zum einen daran, daß die seinerzeitigen freiheitsfeindlichen Kader sich in die neue Staats- und Gesellschaftsordnung auf opportunistische Weise herübergerettet hätten, zum anderen aber am Mangel an politischer Bildung in breiten Bevölkerungsschichten. Šonka, der lange Zeit auch in Deutschland gelebt hat, bezeichnete die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung als vorbildlich für die Tschechische Republik und andere ehemalige Ostblockstaaten. Aus einstigen Jungkommunisten seien „Marktkomsomolzen“ geworden, die sich bereicherten und mit nationalistischen Parolen auf erschreckend große Resonanz stießen. Besonders negativ wirkten der ehemalige Staatspräsident Václav Klaus, der mit der deutschen AfD zusammenarbeite und im eigenen Land jetzt eine neue anti-europäische Partei gründe, und sein Sohn, der unlängst im Tschechischen Parlament für einen Skandal gesorgt habe, weil er die Rolle der Tschechischen Republik in der EU mit dem Häftlingsrat des KZ Theresienstadt verglichen habe, der nur hätte entscheiden dürfen, wer von dort zuerst nach Auschwitz gehe: „Die Empörung darüber war schockierend gering.“ Europapolitische Aufklärung sei in allen Mitgliedstaaten dringend notwendig.

Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die christlichen Märtyrer des Widerstandes gegen Kommunismus und Nationalsozialismus, Prälat Prof. Helmut Moll, hatte in einem einleitenden Referat für den Andechser Europatag an die Opfer des Totalitarismus im 20. Jahrhundert erinnert. Besonders stellte er die wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten ermordete katholische Theologin Edith Stein heraus, die Papst Johannes Paul II. neben Benedikt von Nursia, den Slawenaposteln Cyril und Method sowie Teresa von Avila und Birgitta von Schweden zur Patronin Europas erhoben hat. Ihr stehe womöglich noch eine weitere Ehrung durch die katholische Kirche bevor, nämlich die Erhebung zur Kirchenlehrerin. Moll erinnerte an die jungen Freiheitskämpfer verschiedener Konfessionen in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, an den Jesuitenpater Alfred Delp, der sich besonders für die arbeitenden Menschen und die Sozialethik eingesetzt habe, an den Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg mit seinen mährischen und schlesischen Wurzeln, der mutig gegen die Judenverfolgung Stellung genommen habe, den österreichischen Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter, die sudetendeutschen KZ-Opfer Pater Engelmar Unzeitig und Pfarrer Richard Henke, den polnischen Minoriten Maximilian Kolbe, der anstelle eines Familienvaters im KZ in den Hungerbunker gegangen ist, und andere aufrechte Christen, die das so genannte Dritte Reich ermordete. Ein Anliegen war es ihm, den großen Anteil von Blutzeugen aus den später vertriebenen deutschen Volksgruppen des Ostens herauszuarbeiten. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges sei die Christenverfolgung im Kommunismus unmittelbar weitergegangen. Hier erzählte der Prälat, der mit seinem „Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ das Standardwerk schlechthin zu diesem Thema verfaßt hat, von Menschen, die zum Teil völlig vergessen wurden, wie dem Erzbischof Eduard Profittlich, der demnächst der erste Selige Estlands werden könnte: „Papst Franziskus hat in Reval/Tallin versprochen, ihn mit Vorzug zu behandeln.“ Der Kölner Prälat ließ Märtyrerbiographien aus kommunistischen Ländern wie der Sowjetunion, Rumänien, Schlesien, den sudetendeutschen Gebieten der böhmischen Länder, Albanien und der DDR lebendig werden: „Helfen Sie mit, diese großen Europäer dem Vergessen zu entreißen!“

Beim vorangegangenen Kapitelamt in der Andechser Wallfahrtskirche betonte Abt Dr. Johannes Eckert mit Blick auf die Europawahlen am 26. Mai, daß in der EU mit ihrer „Vielfalt in der Einheit“ die Völker sich in ihren Stärken und Schwächen gegenseitig hervorragend ergänzten und stützten. Dies entspreche der Regel Benedikts von Nursia, des Ordensgründers und Patrons Europas, die auch für die Einigung der Völker Europas wertvolle Grundlagen biete.

Text und Fotos: Egon Lippert (Freier Journalist, Foto-Journalist, www.lippert-egon.de)

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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