75 Jahre nach dem Ende der unseligen Kriegsschlacht von Stalingrad machten sich junge Fußball-Auswahl-Mannschaften von Russland und Deutschland auf den Weg, um ein Zeichen für Versöhnung zu setzen. Dr. Helmut Wittmann, Seeon, hat in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der „Deutsch-Russischen Wissenschafts-und Kulturkooperationen e.V.“ an dieser Fahrt teilgenommen und uns diesen Bericht mit Bildern übermittelt:
Wolgograd, früher Stalingrad, im Mai 2018 – U18 Junioren setzen Zeichen für Versöhnung
Als Mitglied der deutschen Delegation, die auf Einladung des Gouverneurs von Wolgograd die deutsche U18 Nationalmannschaft bei ihrem Freundschaftsspiel gegen das russische Nationalteam und bei den symbolträchtigen Besuchen der Friedhöfe und Gedenkstätten für die bei der Schlacht von Stalingrad vor 75 Jahren gefallenen deutschen und russischen Soldaten begleiten durfte, gebe ich einige der tiefen Impressionen dieser Tage wieder.
Fußball im Dienst der Versöhnung
Schon das Freundschaftsspiel der beiden Nationalmannschaften, das das deutsche Team mit 3:1 gewann, hatte angesichts des Ortes und des Datums hohe Symbolkraft, wie Staatsminister a.D. Eberhard Sinner, Präsident des OstWestWirtschaftsForums Bayern anläßlich der Übergabe der Spendertafel für die Friedenskapelle auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka am folgenden Tag betonte:
„Fußball verbindet – war gestern das Motto des Friedensspiels der U18 von Russland und Deutschland. Wir haben ein schönes Fußballspiel erlebt. Wichtiger war die gemeinsame Botschaft beider Mannschaften: „Fußball verbindet“. 75 Jahre nach dem Ende der Schlacht von Stalingrad erinnern wir damit an ein Fußballspiel, das am 2. Mai 1943 in der völlig zerstörten Stadt zwischen Spartak Moskau und Dynamo Stalingrad stattfand. Fußball war eines der ersten Lebenszeichen nach der totalen Zerstörung auf dem Weg zum Frieden.
Auch die Friedenskapelle, die wir auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka am 7. September 2016 geweiht haben, verbindet. Sie verbindet den Sowjetischen Teil und den Deutschen Teil des Friedhofs. Die Friedenskapelle verbindet im Dialog des lateinischen und des orthodoxen Kreuzes die Westkirche und die Ostkirche und Westeuropa mit Osteuropa.
Die Friedenskapelle ist das erste Denkmal, das von der deutschen Zivilgesellschaft auch für die Sowjetischen Opfer des 2. Weltkriegs gebaut wurde. Wir haben dafür 220 000 € gesammelt.“
Ehrenbezeugung an den Gräbern
Bei dem gemeinsamen Besuch des deutschen und des russischen Soldatenfriedhofs, die nur durch eine schmale Straße getrennt sind, legten die deutschen und russischen Sportler, die Führung des Deutschen Fußballbundes mit Präsident Reinhard Grindel, die Generalsekretärin der russischen Fußballunion, Ekatarina Fedyshina sowie alle Delegationsmitglieder Blumen an den Gedenkkreuzen nieder. Auf dem russischen Teil ruhen über 90 000 russische Gefallene, auf dem deutschen Teil über 50 000 deutsche Soldaten. Zusätzlich sind auf großen Granitwürfeln die Namen von über 130 000 deutschen Soldaten eingemeißelt, die im Kessel von Stalingrad vermisst sind.
Einige Mitglieder der deutschen Delegation legten im Namen von Angehörigen an einzelnen Gräbern Blumen nieder und gaben eine Handvoll Heimaterde und Weihwasser hinzu.
Brücken bauen über Grenzen hinweg
Anschließend lud der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Wolfgang Schneiderhan in das Begegnungshaus in der Nähe des Friedhofs ein. Auf den ehemaligen Schlachtfeldern in Russland werden immer noch sterbliche Überreste deutscher Soldaten gefunden und von Helfern des Volksbundes in würdige Ruhestätten übergeführt.
Kernaussagen der Reden u.a.von Präsident Grindel und seiner russischen Kollegin waren : Brücken bauen – Die Jugend der Welt zusammenführen – Miteinander reden – Gemeinschaft über Grenzen hinweg erleben – Sport in seiner völkerverbindenden Kraft spürbar machen. „Wir möchten, dass die jungen Leute genau an diesem Ort und in diesem historischen Zusammenhang einen Weg finden, Fair Play und Respekt zu zeigen“, so Grindel. Der Spielführer der deutschen Mannschaft hat angesichts der vielen jungen Gefallenen in seinem Alter ergriffen zum Ausdruck gebracht: „Jetzt wissen wir, warum wir hier sind!“
Ekatarina Fedyshina hat in bestem Deutsch den deutschen Schriftsteller Remarque zitiert, der mitten im 1. Weltkrieg schrieb: Vergib mir Kamerad. Wie kannst du mein Feind sein? Jetzt sehe ich erst, dass du ein Mensch bist wie ich. Ich habe nur deine Handgranaten und dein Bajonett gesehen; jetzt sehe ich deine Frau und deine Kinder. Wir sehen es immer zu spät!
Nochmals Eberhard Sinner: Der 9. Mai wird in Russland als Tag des Sieges über den Faschismus in Europa gewürdigt. Der 9. Mai ist auch Europatag. Die Friedenskapelle auf dem Friedhof ist das „Europäische Haus“ auf dem Schlachtfeld von Stalingrad. Russland ist Mitglied des Europarates.
Wolgograd wurde als Europastadt vom Europarat mit der Europafahne ausgezeichnet
und versteht sich als Hauptstadt der Volksdiplomatie.
Bei der Einweihung der Kapelle hat Alona, eine 16-jährige Schülerin mit russischen und deutschen Wurzeln formuliert: „Mein russischer Uropa, der für die sowjetische Armee gekämpft und sein Land verteidigt hat, ist hier in Stalingrad ums Leben gekommen. Mein deutscher Opa, der mit 16 Jahren an die Front geschickt wurde, war dann für fünf Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Ich möchte so etwas nicht mehr. Ich will Frieden.“
Spende für die Friedenskapelle
Eberhard Sinner: „Das ist auch die Botschaft der Friedenskapelle und des Friedensspiels der U18. Ich danke Präsident Reinhard Grindel und dem DFB für das Friedensspiel und die Spende von 10 000 €. Damit können wir zu gleichen Teilen den Bau der Kapelle und die Jugendarbeit des Volksbundes hier in Rossoschka unterstützen. Ich danke Präsident Wolfgang Schneiderhan und dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge für die Unterstützung beim Bau der Friedenskapelle und überreiche die Tafel der Spender für den Informationspavillon. Ich wünsche dem DFB und uns allen für die Fußballweltmeisterschaft viel Erfolg, nicht nur sportlich, sondern auch als Botschafter des Mottos „Fußball verbindet“.
Die bayerische Gruppe wurde von Christian Holtz, Arzt und Partnerschaftsbeauftragter aus Denkendorf geleitet, der mit größtem Engagement seit über 30 Jahren im Sinne der deutsch – russischen Zusammenarbeit tätig ist. Bei den Veranstaltungen wurde deutlich, dass es auf der Ebene der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) viele deutsch-russische Initiativen gibt,
Der Verfasser, Dr. Helmut Wittmann, Seeon, hat in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der „Deutsch-Russischen Wissenschafts-und Kulturkooperationen e.V.“ an der Reise teilgenommen.
Fotos: Bilder von der Fahrtteilnahme von Dr. Helmut Wittmann aus Seeon