Mit zweijähriger Verspätung haben die 42. Oberammergauer Passionsspiele heute mit der Premiere begonnen. Bis zum 2. Oktober sollen 103 Vorstellungen stattfinden. Nur montags und mittwochs ist spielfrei.
5200 Einwohner hat das Dorf, 2000 spielen dieses Jahr mit. 4300 Zuschauer täglich werden im großen Freilicht-Theater das Stück verfolgen. Manchmal sind – einschließlich Chor und Orchester – 800 Mitwirkende zugleich auf, hinter und unter der Bühne.
Eine Aufführung dauert etwa fünf Stunden, hinzu kommt eine dreistündige Pause. Man sollte also gut 8 Stunden für die Aufführung einplanen.
Die Passionsspiele gehen auf ein Gelübde aus dem Jahr 1633 zurück. Damals gelobten die Oberammergauer, das Leiden, Sterben und die Auferstehung Christi aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest sterben sollte. Seitdem wird die Passion alle zehn Jahre aufgeführt. Lediglich durch die Spanische Grippe 1920 und durch Corona mussten die Aufführungen bislang verschoben werden.
Dazu sagt der Spielleiter Christian Stückl: „Es hat die Spanische Grippe gegeben, es hat die Pest gegeben … Jetzt ist Corona da, ein Gewinn ist es nicht, aber es führt uns einmal mehr vor Augen, wer wir eigentlich sind.“ und weiter: „Genau 100 Jahre zurück, 1920, musste das Passionsspiel aufgrund der Spanischen Grippe abgesagt werden. Man hat damals 1922 nachgespielt, also hat das irgendwie auch eine gewisse Tradition.“
Zum vierten Mal in Folge hat Christian Stückl die Spielleitung übernommen. Für das Bühnenbild zeichnet Stefan Hageneier verantwortlich, für die Musik Markus Zwink.
Eine Besonderheit gibt es allerdings bei den diesjährigen Passionsspielen:
Mit Cengiz Görür übernimmt erstmals ein Oberammergauer Muslim die Rolle des Judas, neben Jesus die begehrteste der 21 Hauptrollen. Noch vor 30 Jahren durfte bei den Passionsspielen in Oberammergau nur mitspielen, wer katholisch war.
Das Passionsspiel selbst wurde 2014 von der Weltkulturorganisation UNESCO in die Liste des Immateriellen Erbes der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen.
Mit dem Bau der Bahnstrecke bis nach Murnau im 19. Jahrhundert wurden die Passionsspiele sehr bekannt. Persönlichkeiten wie Franz Liszt, Richard Wagner, Max Reinhardt, John D. Rockefeller und Henry Ford gaben sich auf einmal in Oberammergau die Ehre.
Das die Botschaft des Passionsspiel auch heute noch relevant ist, wird aus den ersten Worten des Jesus-Darsteller auf der Bühne deutlich: „Es herrscht eine Zeit der Angst in Israel. Kriegsgeschrei erfüllt das Land, Armut und Krankheit raffen euch dahin.“
Man muss schon dabei sein. Wer jetzt nicht dabei ist, kann es erst in zehn Jahren wieder sein.
Fotos: Rainer Nitzsche