Eshal, 9 Jahre, syrisches Flüchtlingsmädchen in einem Lager im Libanon besucht die Kamelschule, eine der inzwischen 50 Zeltschulen des gleichnamigen Vereins. Sie möchte Model werden. Warum? „…in Zeitungen oder auf Werbeplakaten sind immer wunderschöne Frauen, die ein wunderschönes Lächeln haben und glücklich und reich aussehen. Sie haben bestimmt ein riesengroßes Bett und nehmen jeden Tag ein Schaumbad, deswegen sind sie so schön.“ Dieses Zitat stammt aus dem Buch „Invicta“ (lateinisch, die Unbesiegbare), eine Sammlung von Gesprächen, die Jacqueline Flory mit weiblichen Flüchtlingen völlig verschiedenen Alters geführt hat.
Monika Stockinger und Ulrike Hoernes, vom Organisationsteam für den Internationalen Frauentag, stellten die Gründerin des Vereins Zeltschule, Jacqueline Flory und deren enge Mitarbeiterin Melanie Schillinger vor. Ganz besonders im Krieg und auf der Flucht stünden Mädchen und Frauen ganz besonderen Herausforderungen gegenüber, nahezu rechtlos und ohne jeden Schutz. Die 2008 gegründete Initiative der Zeltschulen
Einleitend lasen zwei kleine Mädchen den oben abgedruckten Dialog über den Wunsch der neunjährigen Eshal, Model zu werden. Das kleine Mädchen steht stellvertretend für viele im Grundschulalter und jünger, die wissbegierig, hochintelligent und strebsam sind und sich nichts anderes wünschen, als durch ihren Einsatz wieder ein neues Zuhause ohne Hunger, Krieg und Angst zu finden. Jacqueline Flory schilderte die Hauptprobleme einer Politik, die Frauen viel zu wenige Rechte gibt, eine Tradition die der Politik dabei hilft und unter anderem die prekäre Situation vieler Frauen und Mädchen auslöst: Frauen müssen heiraten, um versorgt zu sein. Sie verdienen kein Geld, weil sie keine Arbeit haben, weil sie nie etwas gelernt haben. Daher brauchen sie Männer, die sie ernähren. Wenn sie aber nichts verdienen und nichts zum Lebensunterhalt beitragen, haben sie nichts zu sagen. Sie bekommen Kinder und können nicht mehr weg, weil sie sonst die Kinder verlieren würden. Im Fall einer Scheidung kann der Mann allein entscheiden, was mit den Kindern passiert, denn wenn sie sich wehren, werden sie von anderen nicht unterstützt, sondern geächtet. Deshalb bleiben die Frauen, egal, was die Männer tun, berichtete Flory anhand vieler erschütternder Beispiele.
Die einzige Hilfe aus dieser ausweglosen Situation ist es, wenn Frauen lernen und arbeiten, denn dann brauchen sie keinen Ernährer und können heiraten, wenn sie verliebt sind und warten, bis einer kommt der sie respektiert. Jacqueline Flory verstand es, auch anhand großartiger, eindrucksvoller Fotografien aus dem Leben in den (immer mit einem Tiernamen bezeichneten) Lager, frei sprechend, eine hoch konzentrierte Atmosphäre im Saal zu schaffen. Voller Empathie hörten die Zuhörer den oft unglaublich erschreckenden Lebensgeschichten der von dem syrischen Präsidenten Assad verfolgten Flüchtlinge im Libanon zu.
Auf die Fragen aus dem Publikum berichtete Flory von sich selbst, dass sie so eine Arbeit für ihr eigenes Leben ursprünglich nie vor gehabt habe, sondern lediglich verschiedene Sprachen studiert, darunter französisch und arabisch und als Übersetzerin gearbeitet habe. So sei sie hautnah mit der Situation der syrischen Flüchtlinge in den weder vom Staat noch von den europäischen Hilfsorganisationen unterstützten Flüchtlingscamps in Berührung gekommen. Ihr dringender Wunsch sei es gewesen, zu helfen, Leben zu retten und auch den Ärmsten, eine Chance für eine eigenständige Existenz in Würde zu eröffnen.
Das Publikum, darunter nicht nur viele interessierte Frauen, sondern etwa zehn Prozent Männer waren tief beeindruckt und dankten mit viel Applaus.
Die Traunsteiner Stadträtin Monika Stockinger als Sprecherin des Organisationsteams von acht, Partei übergreifenden Traunsteiner Frauenorganisationen bedankte sich mit einem kleinen Geschenk bei der Referentin und ihren Helfern. Im Anschluss gab es ein kaltes Büffet und Getränke. Dabei machten die Besucher der Veranstaltung regen Gebrauch von der Möglichkeit zur Diskussion. Viele deckten sich mit hübschen, bunten Handarbeiten für Ostergeschenke ein, die die Frauen in den Zeltlagern mit großem handwerklichen Geschick gearbeitet hatten.
Der 29. Internationale Frauentag in Traunstein wurde von acht Frauenverbänden organisiert, den Aktiven Frauen Traunstein, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), der Beauftragten für Chancengleichheit der Agentur für Arbeit, Bündnis 90/ Die Grünen, CSU-Frauenunion, Die Linke, Soroptimist International, Club Traunstein und Traunsteiner Liste. Von den Organisatorinnen ist der Tag in jedem Jahr als Motivation gedacht, über die Stellung der Frauen in Familie und Gesellschaft nachzudenken, Kontakte zu knüpfen und für ihre Rechte einzutreten. Im nächsten Jahr soll der 30. Internationale Frauentag in Traunstein mit einem Fest gefeiert werden.
Bericht und Bilder: Christiane Giesen