Rosenheim / Landkreis – Beim Thema Wolf kochen die Emotionen hoch. Die andere wollen dem Wildtier unbedingt wieder eine Heimat geben. Die anderen sehen ihn ihm eine extreme Gefahr. Rosenheims BBV-Kreisbäuerin Katharina Kern plädiert für mehr Sachlichkeit beim Umgang mit dem Wolf. Im Gespräch mit Innpuls.me nimmt sie Stellung zu den von den Behörden beschlossenen Abschuss des „Problem-Wolfs“ in Chiemgau. Außerdem erklärt sie, warum Maßnahmen wie Herdenschutzhunde oder Schutzzäune aus Sicht der Landwirte unrealistisch sind und was jetzt noch von Seiten der Regierung passieren muss.
Frage: Frau Kern, wie haben Sie den Beschluss der Behörden aufgenommen, dass der Wolf, der in den vergangenen Monaten mehrmals Nutz- und Wildtiere gerissen hat, aus der Natur „entnommen“ werden darf?
Antwort: Positiv ist, dass man jetzt auch mal auf die Sorgen und Nöte von uns Landwirten reagiert hat. Aber die Durchführung dieser Anordnung empfinde ich als problematisch. Wie soll man erkennen, ob man genau den Wolf vor sich hat, der in den vergangenen Wochen immer wieder negativ aufgefallen ist und zuletzt sogar ohne Scheu durch ein Dorf gewandert ist?
Frage: Gibt es denn noch mehr Wölfe, die im Chiemgau unterwegs sind?
Antwort: Die Genanalysen haben ja ergeben, dass die Risse zweifelsfrei von zwei Wölfen stammen. Außerdem treffen Landwirte und Jäger in der Region schon seit Jahren immer wieder einmal auf einen Wolf oder deren Fährte. Das wurde nur noch nie an die große Glocke gehängt, weil sich diese Tiere bisher immer unauffällig verhalten haben.
Frage: Sie haben also nicht generell etwas gegen die Wölfe?
Antwort: Nein. Auch sie haben ihre Daseinsberichtigung und es gibt sicher Gebiete, wie Nationalparks oder Regionen, die nicht so eng besiedelt sind wie unsere Region, wo sie problemlos leben können.
Frage: Aber bei uns funktioniert das nicht?
Antwort: Bei uns ist Siedlung an Siedlung. Dann sind wir auch noch ein Tourismusgebiet und da ist praktisch Tag und Nacht viel los in der Natur. Das erlebe ich auch bei uns auf der Alm. Selbst mitten in der Nacht marschieren da noch Menschen mit Stirnlampen durch den Wald. Ein einzelner, unauffälliger Wolf, ist da vielleicht noch kein Problem. Aber dabei wird es nicht bleiben. Es werden sich Rudel bilden. Und dann? Wer traut sich dann noch allein hinaus in die Wälder?
Frage: Sie meinen, unser Freizeitverhalten passt nicht zum Wolf?
Antwort: Da hat sich halt in den vergangenen 100 Jahren viel geändert. Wir sind es heute gewohnt, dass wir uns in der freien Natur völlig sicher fühlen können. Diese Selbstverständlichkeit wird es mit dem Wolf in Zukunft so nicht mehr geben. Ich weiß nicht, wie das dann sein wird und ob sich die Menschen darüber überhaupt im Klaren sind.
Frage: Den Landwirten geht es beim Thema Wolf vor allem auch um den Schutz ihrer Weidetiere. Die könnte man aber doch schützen, beispielsweise durch Herdenschutzhunde oder Schutzzäune?
Antwort: So einfach ist das leider nicht. Herdenschutzhunde werden bei uns in der Region gar nicht genehmigt. Denn das sind Tiere, die bei den Herden von klein auf aufgewachsen sind und diese darum mit Vehemenz verteidigen. Dabei machen sie dann auch nicht unbedingt einen Unterschied zwischen Wolf oder Radfahrer.
Frage: Wie wäre es dann mit einem Hütehund?
Antwort: Hütehunde kennt man von den Schäfern. Sie sorgen dafür, dass die Schafherden zusammenbleiben. Sie sind überhaupt nicht aggressiv und ziehen beim Angriff eines Wolfes sofort den Kürzeren.
Frage: Dann bleiben noch die Schutzzäune.
Antwort: Wir selbst bräuchten beispielsweise 8 Kilometer Zaun mit einer Höhe von 1,20 Meter und oben und unten mit Strom, damit der Wolf oben und unten nicht durchkommt. Wenn das jeder Landwirt flächendeckend macht, verändert das schon mal das Aussehen unserer Landschaft enorm. Dessen muss man sich bewusst sein. Hinzu kommt aber auch die finanzielle Komponente. Der Unterhalt eines solchen Zaunes kostet enorm viel Geld.
Frage: Inwiefern?
Antwort: Mindestens alle zwei Wochen muss der Zaun ausgemäht werden. Sonst fließt der Strom nicht mehr. Mit den Fördergeldern vom Staat verpflichtet man sich, den Zaun 10 Jahre zu unterhalten. Wenn man das nicht schafft, weil sich der ganze Aufwand nicht lohnt und man beispielsweise die Landwirtschaft dann aufgeben will, muss man die komplette Summe zurückzahlen. Auf so ein Angebot lässt sich niemand gerne ein. Denn damit steht man ganz schnell vor dem finanziellen Ruin.
Frage: Befürworter der Wölfe sagen oft auch, die Landwirte sollen sich nicht so haben, für ein gerissenen Tier bekämen sie doch eh großzügig Entschädigung vom Staat.
Antwort: Auch wir Landwirte hängen an unseren Tieren. Oftmals begleitet man sie schon bei der Geburt und verbringt auch mal ganze Nächte bei ihnen im Stall, wenn es ihnen nicht gut geht. Der Anblick eines zerfleischten oder schwer verletzten Tieres ist auch für uns schlimm. Das kann man mit Geld nicht aufwiegen.
Frage: Eines ist klar, auch wenn man nun diesen einen Wolf zum Abschuss freigegeben hat, wird sich dadurch das Problem nicht erledigen. Es werden wieder Wölfe kommen und irgendwann werden sich dann auch Rudel bilden.
Antwort: Davon ist auszugehen und genau deshalb ist es so wichtig, dass man dieses Thema endlich wieder sachlich angeht.
Frage: Das bedeutet konkret?
Antwort: Man muss festlegen, wie viele Wölfe für Deutschland verträglich sind und wenn diese Zahl überstiegen wird, muss der Mensch regulierend eingreifen, wie er es ja auch bei vielen anderen Tieren tut. Und es gibt dann halt auch Gebiete, die sind sensibler als andere.
Frage: Und da gehört die Region Rosenheim dazu?
Antwort: Wie schon gesagt, wir sind dicht besiedelt und haben viel Tourismus. Freizeitgestaltung in der freien Natur genießt einen hohen Stellenwert. Letztendlich muss man sich im Klaren ein, dass das Leben eben nie ein Wunschkonzert ist. Auf der einen Seite will man sich frei und unbeschwert bewegen und Kühe und Schafe auf der Weide sehen. Aber das wird nicht mehr gehen, wenn die Zahl der Wölfe mehr und mehr zunimmt.
Das Interview führte Karin Wunsam von der Online-Plattform Innpuls.me
Foto: Hötzelsperger – Gebiet der Riesenalmen nahe Hochries