Der Mammut-Mann – ein Beitrag von Karl Stankiewitz – ein Beitrag nachdem Bernard Raymond von Bredow einem Raubmord in Paraguay zum Opfer fiel. Von Bredow entdeckte mit 16 Jahren ein Mammut-Skelett im oberbayerischen Siegsdorf und gehörte zu den Gründern des dortigen Urzeitmuseums.
Seine Freizeit verbrachte der Münchner Gymnasiast Bernard Raymond von Bredow am liebsten im Deutschen Museum oder als „Schatzsucher“ in oberbayerischen Wäldern. Als der 16-jährige Dolmetschersohn im Herbst 1975 wieder einmal im Gerhardsgraben bei Siegsdorf, einer versteckten Endmoräne der Späteiszeit, mit einem Freund und seinem selbstgebastelten Metalldedektor herumstreifte, stieß er auf einen herausragenden Knochen. „Viel zu groß für einen Ochsen,“ taxierte Bernard und grub mit einem Suppenlöffel den Rest aus. Mehr im Spaß sagte er: „Mensch Robby, wir haben ein Mammut gefunden.“
Ziemlich unsystematisch und im Geheimen durchsuchten die Burschen nun Tag für Tag das geheimnisvolle Gelände. Nach drei Wochen hatten sie fast alle Rippen sowie das Rückgrat eines riesigen Tierskeletts aus dem Lehm geborgen. Nicht gerade sachgemäß lagerten sie die Fossilien im Atelier von Bernards Mutter, einer Kunstmalerin. Dann kam der Winter und der junge Bredow, dessen Familie den Adelstitel abgelegt hatte, erbte eine Farm in Neuseeland. „Zur Selbstfindung“ reiste er als Hilfsarbeiter, Klavierstimmer, Rockmusiker, Problemanalytiker um die halbe Welt. Fast schon hatte er „sein Mammut“ vergessen, als er Ende 1984 in seine oberbayerische Heimat zurückkehrte. Nach der Schneeschmelze arbeitete er weiter an seinem Fund. Nun freilich wollte er die Behörden einschalten. Im Juli 1985 erzählte er mir in seiner Siegsdorfer Bude die weitere Geschichte und ich berichtete erstmals über den 25-jährigen Hobby-Forscher. „Mir verstengan nix von der Sach,“ habe mahn ihn beschieden, im Landratsamt, beim Bürgermeister, beim Heimatpfleger, gemäß: Viele im Chiemgauer Urlaubsdorf hielten ihn für einen Spinner. Bis endlich der Traunsteiner Landrat Leonhard Schmucker, ein Pionier des Fremdenverkehrs, eine Untersuchung durch den Münchner Paläontologen Kurt Heißig veranlasste.
„Es muss etwa hundert Jahre alt gewesen sein, als es für 21 000 Jahren starb; dennoch sieht es aus wie frisch vom Metzger,“ urteilte der Professor nicht ohne Anerkennung und Verwunderung. Bei dem Es handelte es sich um das bisher besterhaltene Mammut Mitteleuropas. Geschlecht: wahrscheinlich ein Bulle. Zunächst sollten die 80 Prozent seines originalen Knochenbaus in Schellack konserviert werden, um in einigen Jahren bis zu einer Schulterhöhe von vier Metern zusammengefügt und in einem Museum ausgestellt zu werden. Tag für Tag, oft bis zu den Knien im Schlamm steckend, buddelte Bredow weiter. Noch fehlten die Schädeldecke und ein Stoßzahn, dessen gefundenes Gegenstück 1,20 Meter maß. Endlich waren auch die Siegsdorfer richtig begeistert über ihr „Urviech“, dem sein Entdecker den Namen „Oskar“ gab. Oskar gesellten sich weiterer Funde zu, die präpariert und konserviert wurden; Wölfe, Höhlenbären, Riesenhirsche, Auerochsen, Wollnashörner.
Wieder aber machte sich Bredow, der wissenschaftliche Laie, in seinem Übereifer neue Gegner, Neider und Rivalen. Unermüdlich und auf eigene Kosten reiste er auf Mammutsuche um die Welt, besonders interessante Funde brachte er aus dem Permafrost Sibiriens heim. In England und Holland konnte er mit seiner „fossile Mammutwelt“ Hunderttausendse begeistertn. Als er schließlich 1991 für seinen Oskar ein eigenes „Mammutheum“ aufmachte und plante, weitere Großmodelle samt Videospektakel aufzustellen, verprellte er die letzten ihm zugetanenen Wissenschaftler und Kommunalpolitiker. Im Mai 1995 eröffnete die Gemeinde Siegsdorf auf dem Gelände des abgerissenen Rathauses ein eigenes „Südostbayerisches Naturkunde- und Mammutmuseum“, das Einblick bot in die Welt der Tiere und Steine vor vielen Millionen Jahren, wie sie sich gerade in den Chiemgauer Alpen gut erhalten haben und erforscht wurden. Im Mittelpunkt stand das aus Abgüssen der Knochen nachgebildete Gerippe des größten und besterhaltenen Mammuts, das je in Europa gefunden wurde. Vier Meter hoch und fast sechs Meter lang und wohl vor 15 000 Jahren verendet. Die Siegsdorfer gaben dem frei zugänglichen Pflanzenfresser ihren abgewandelten Ortsnamen; Siegi.
„Ein Mammut kommt selten allein,“ überschrieb ich meinen damaligen Bericht. Bernard Bredow ärgerte sich maßlos, er fühlte sich ausgetrickst und nur noch von der Russischen Akademie der Wissenschaften verstanden. Schwer traf ihn der Tod seines Vaters, der unter sein eigenes Auto geraten war. Wieder begab sich Bernard auf weite, strapaziöse Forschungsreisen. Er veröffentlichte als Autodidakt nicht nur Erkenntnisse, die fachlich Aufsehen erregten, sondern befasste sich zuletzt auch mit Verschwörungstheorien. 2017 schlug er ein neues Lebenskapitel auf. Mit seiner zehnjährigen Tochter wanderte er nach Paraguay aus, wo er zuletzt als Geigenbauer gearbeitete haben soll. Sein „Mammutheum“ am Fuss der Wallfahrtskirche Maria Ecck, wo er längst eine ganze Herde von präparierten Urtieren angesiedelt hat, gammelt seit Jahren vor sich hin. Zuletzt hatte es dieser vielseitige, höchst verdienstvolle, aber auch schwierige Mensch als „Steinzeitpark der Experimentellen Archäologie“ beworben. Im Rathaus von Siegsdorf will man auf Anfrage von alledem überhaupt nichts wissen. Touristisch beworben wird jedenfalls nur das eigene Naturkundemuseum mit dem großartigen Mammut-Abguss und den spannenden Demonstrationen zur Urgeschichte der Alpen. Das moderne Haus hatte bisher über eine Million Besucher. Geöffnet ist es noch bis zum 30. November.
Bericht: Karl Stankiewitz – Fotos: Thomas Stankiewicz
Ein sehr interessanter Bericht….wie man ihn sonst nirgendwo liest.Gut dass es Menschen gibt die so etwa schreiben und veröffentlichen Halina P