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Seit 110 Jahren gibt es in Wildenwart Veteranen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Am 21.April 1907 trafen sich beim Wirt in Atzing 61 Männer. Ihr Ziel war es, einen Veteranen- und Kriegerverein zu gründen, wie er in allen Orten der Nachbarschaft schon bestand. So stand am Anfang des Wildenwarter Veteranenvereins die Idee der Zusammengehörigkeit und das Erlebnis der Kameradschaft in den Kriegen von 1866 und 1870/71. Die Veteranenvereine sahen ihre primäre Aufgabe darin, den Kameraden, die weniger Glück als sie selber hatten, eine materielle oder zumindest ideelle Unterstützung zu gewähren, allen Kameraden ein ehrenvolles Begräbnis unter Beteiligung aller Mitglieder, der Fahne und der Musikkapelle zu garantieren und bei Bedarf die Witwen und Waisen der Verstorbenen zu unterstützen. Noch im Jahr 1907 wurde eine Fahne beschafft und geweiht, Patenverein war der Veteranenverein von Rimsting. Grundsätzlich wurden alle gedienten Soldaten des Dorfes Mitglied, die Veteranen der deutschen Einigungskriege wurden Ehrenmitglieder. Große Lücken riss der erste Weltkrieg in den Verein, erst 1920 begann langsam ein Neuanfang des Vereinslebens. 1928 bauten die Wildenwarter Veteranen ein Kriegerdenkmal in der Ortsmitte von Prutdorf, große Verdienste erwarb sich dabei Hauptlehrer Drexl. In Anwesenheit von Kronprinz Rupprecht von Bayern wurde es am 17.Mai 1928 eingeweiht. Zwei schlichte Tafeln erinnern in einer kleinen Kapelle seither an die 36 Gefallenen. Schon ein paar Jahre darauf begann der zweite Weltkrieg und weitere 74 Namen von Männern aus dem Dorf mussten auf zwei neuen Tafeln hinzugefügt werden. Erst 1950 begann das Vereinsleben wieder, der Veteranenball wurde abgehalten, ein Vereinsausflug fand statt, der alljährliche Gedenktag am Volkstrauertag für die gefallenen und verstorbenen Mitglieder ist seitdem eine regelmäßige Einrichtung. 1977 war erneut eine Fahnenweihe in Wildenwart, zur Feier des 70.Geburtstages erhielt der Verein eine neue Fahne, Pate war der Veteranenverein von Söllhuben. Mit Beginn des neuen Jahrhunderts wurde das Kriegerdenkmal mit Unterstützung der beiden Gemeinden von Frasdorf und Prien nach fast 80 Jahren von Grund auf renoviert und saniert, die Gedenkplatten wurden ersetzt, ein neues Schindeldach wurde aufgelegt und die Außenanlagen hergerichtet.

Seit 1931 können nicht nur Veteranen und Soldaten Mitglieder werden; sondern „damit der Verein nicht aussterbe und um eine Vernachlässigung der Fahnen- und Denkmalspflege zu verhüten, kann jeder unbescholtene junge Mann mit 25 Jahren in den Verein eintreten“. Diese Regel gilt uneingeschränkt bis heute. Der Verein verfügt damit über eine gesunde Altersstruktur, ein Großteil der Vereinsmitglieder sind heute Reservisten der deutschen Bundeswehr, dazu kommen die außerordentlichen Mitglieder. Nach Ableistung ihres Wehrdienstes traten die Reservisten beim nächsten Jahrtag ein, seit 2012 führt Heinrich Rehberg als achter Vorstand in 110 Jahren den Verein; nur noch ein kriegsgedientes Mitglied ist im Verein vertreten. Der Veteranen- und Kriegerverein Wildenwart umfasst derzeit 187 Männer, er ist Mitglied der Interessengemeinschaft der Krieger- und Soldatenkameradschaften im Landkreis Rosenheim und nimmt an deren Veranstaltungen teil. Jedes Jahr ist der Verein mit der Fahnenabordnung und einer starken Abordnung bei der Gedenkfeier für die Gefallenen des Chiemgaus auf der Kampenwand mit dabei.

Der Veteranen- und Kriegerverein Wildenwart sieht heute seine Aufgabe darin, durch entsprechende Betreuung der Reservisten und Kriegsteilnehmer, deren Liebe und Treue zum Vaterland auch im bürgerlichen Leben aufrecht zu erhalten, die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt insbesondere durch Teilnahme an den entsprechenden Feierlichkeiten an nationalen Gedenktagen wach zu halten, für ein würdiges Begräbnis der Mitglieder, sowie für Erhalt und Pflege des Wildenwarter Kriegerdenkmals Sorge zu tragen. Diesen satzungsgemäßen Aufgaben kommt der Verein nach, beide Fahnen und das Kriegerdenkmal wurden in den vergangenen Jahren saniert, zusätzlich veranstalten die Veteranen einen musikalischen Frühschoppen im Sommer und eine Christbaumversteigerung im Advent zur Pflege der Kameradschaft. Einen Teil der Einnahmen dieser Veranstaltungen stellen die Veteranen dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Verfügung. Einen gemeinsamen Vereinsausflug machen die Veteranen alle zwei Jahre.

Bericht und Bilder: Heinrich Rehberg

Aufnahmeurkunde von 1907 für den Bäckermeister Josef Staffner aus Bachham in den Wildenwarter Veteranen- und Kriegerverein

Einladung des Wildenwarter Veteranenvereins zum Gründungsfest von 1907. Aufgefunden beim damaligen Patenverein Rimsting und an die Wildenwarter Vorstandschaft beim 90-jährigen Geburtstag überreicht

Fahnenprolog anlässlich der Fahnenweihe von 1907

Die Fahne des Wildenwarter Veteranenvereins von 1977. Die erste Fahne von 1907 wurde zum Jubiläum 1977 durch eine neue ersetzt. Beide Fahnen sind frisch renoviert.

Die Festgesellschaft der Fahnenweihe von 1907 mit der neuen Fahne, der Vorstandschaft, den Ehrenmitgliedern, allen Mitgliedern sowie den Fahnen- und Ehrenjungfrauen

Das Altarbild im Kriegerdenkmal von 1928

Das Kriegerdenkmal von Wildenwart eingeweiht am 17. Mai 1928 in Anwesenheit von Kronprinz Rupprecht in Prutdorf in der Mitte der alten Gemeinde Wildenwart zwischen Hendenham und Siggenham.

Die Musterung eines Jahrgangs war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ein Ereignis für alle Beteiligten. Erhielten die jungen Männer das „Tauglich“ zugesprochen, so waren sie als Soldaten aufgenommen in die Gesellschaft und damit in die Gemeinschaft der Männer des Dorfes. Wer von der Musterungskommission für „Nicht tauglich“ befunden wurde, hatte in den kommenden Lebensjahren nur wenige Chancen seinen Platz im Dorf zu finden. Auch der Heiratsmarkt war ihm weitestgehend verschlossen, hatte er es doch schriftlich, „dass er nicht tauglich und damit kein ganzer Mann war“.

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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