Die aus Seeon stammende Bundestagskandidatin Andrea Wittmann (Freie Wähler / Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land) stellte sich der Passauer Neuen Presse für nachfolgendes Interview zur Verfügung.
Fragen und Antworten:
- Was sind Ihre drei wichtigsten Ziele für Ihren Wahlkreis?
Eine ganz gezielte Stärkung von Kultur, Tourismus, Hotellerie und vor allem der Gastronomie. Erhöhung der Wertschätzung und Wertschöpfung der regionalen bäuerlichen Landwirtschaft mit Achtung auf unsere eigenen Ressourcen sowie Erhalt unserer ländlichen Struktur. Unserer jungen Generation weiterhin Bildung ermöglichen und Zukunftsperspektiven schaffen.
2. Klima- und Umweltschutz werden immer wichtiger, gleichzeitig klagen Unternehmen und Landwirte über zu massive Einschränkungen. Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen und wie wollen Sie diese lösen, welche konkreten Projekte (Windräder, Photovoltaik, Geothermie, Wasserstoff-Produktion) favorisieren Sie dabei?
Jeder von uns muss selbst bei seinen Verhaltensweisen darauf achten, wie z.B. Mülltrennung und Vermeidung Plastik, heimische Lebensmittel bevorzugen, Tierwohl statt Tiertransporte, generelles Umdenken im Konsumverhalten, etc. Zudem sollten mehr regenerative Energien aus Wind (allerdings haben wir in Bayern zu wenig stetigen Wind), Wasser und Sonne (siehe Anpassungen in der Bauleitplanung) eingesetzt werden und die Förderung von regionaler Wertschöpfung, welche zugleich Klimaschutz bedeutet. Landwirte erhalten und pflegen unsere Kulturlandschaft, unsere Artenvielfalt sowie pflegen unsere Wälder, die maßgeblich Kohlendioxid speichern. Effizienzsteigerung vorhandener Wasserkraftwerke und Ausbau der Wasserkraftnutzung, nur wenn es zu Umwelt- und Naturschutzrechtlichen Belangen passt. Ausbau und Erweiterung an PV-Anlagen an öffentlichen und privaten Gebäuden, anstatt Entzug und Verbrauch von Freiflächen (Landwirtschaft). Wir sollten Vorreiter sein, auch wenn andere Länder noch nicht soweit sind und dass muss sofort passieren.
- Im sozialen Bereich wird der Pflegenotstand immer deutlicher, vor allem weil Pflegekräfte fehlen. Wie wollen Sie hier Lösungen finden, beispielsweise für den legalen und bezahlbaren Einsatz von Pflegekräften aus dem Ausland in Privathaushalten und Pflegeheimen?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat 20.000 Pflegekräfte aus dem Osten versprochen – die es aber leider nicht gibt. Die Attraktivität der Gesundheits- und Pflegeberufe muss gesteigert werden und generell bessere Bezahlung. Viele Pflegekräfte brauchen Arbeitszeitmodelle und zugleich bezahlbaren Wohnraum. Mehr Zuschlag bzw. steuerfreie Zuschläge für die verschiedenen Schichtdienste sollten gewährleistet werden, damit sie einen sicheren Lebensunterhalt haben. Die Menschen werden immer älter und die Krankheiten werden immer komplexer, wie z.B. Corona und dafür ist natürlich eine gute Berufsausbildung essentiell. Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gesundheitseinrichtungen sowie konsequente Reduzierung des Bürokratismus trägt zusätzlich bei. Das heißt mehr Dienst am Menschen anstatt Formulare auszufüllen. Ein Freiwilliges soziales Jahr mit Anrechnung für die künftige Berufssituation wäre wünschenswert. Wir sollten auch für unsere Gesellschaft was tun und damit könnten wir junge Menschen für diesen Berufszweig gewinnen, der zugleich eine wichtige Zukunftsperspektive für uns alle darstellt.
- Im Krankenhausbereich wird immer weiter gespart und rationalisiert. In der Folge werden gerade kleinere Kliniken im ländlichen Raum geschlossen. Wie sehen Sie hier die Entwicklung in Ihrem Wahlkreis und wie wollen Sie sich im Bundestag für eine Sicherung der Patientenversorgung in den Landkreises Berchtesgadener Land und Traunstein im Bundestag einsetzen?
Die Stärkung des kommunalen Klinikverbundes TS – BGL (24 Stunden Service an 7 Tagen) sowie Einbindung der privaten Kliniken, dass sie bei akuten Fällen eine naheliegende Versorgung haben. Zusätzliche Gewährleistung der hausärztlichen Angebote – gerade in der ländlichen Region und auch hier Abbau von Bürokratie. Wichtig ist die generelle Stabilisierung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in den Landkreisen. Aus dem aktuellen Anlass ist eine Errichtung des Zentralklinikums im Berchtesgadener Land zu forcieren.
- Im Bereich Infrastruktur gibt der Bund bei Autobahnen, Bahn und Bundesstraßen die Richtung vor. Konkret: Wie stehen Sie zum Ausbau der A8 – braucht es drei Fahrstreifen in jede Richtung plus Standstreifen oder reicht nach Ihrer Ansicht der Anbau von Standstreifen?
Nach meiner Ansicht reicht der Bau einer weiteren Spur aus, die als Standstreifen bzw. bei Bedarf als vollwertige Fahrspur (siehe A8 Holzkirchen – München) genutzt werden darf. Hiermit kann bei hohen Verkehrsaufkommen der Verkehr abgewickelt werden, so wie eine weitere Flächenversieglung unterbunden werden. Wir stehen mitten in einem Verkehrswandel; der Individualverkehr wird Veränderungen erleben.
- Für welche Verbesserungen wollen Sie sich als Heimatabgeordneter im Bereich Bahn und ÖPNV in Ihrem Wahlkreis einsetzen?
Attraktiver ÖPNV ist zielführend für die Verringerung der CO2-Emissionen. Die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land forcieren einen gemeinsamen Verkehrsverbund. Die Grundlagenstudie hierfür befindet sich in der Bearbeitungsphase. Mittelfristig ist ein Verkehrsverbund mit dem Land Salzburg beabsichtigt. D.h. man könnte mit einem Verbundsticket z.B. von zu Hause bis Salzburg mit dem ÖPNV fahren. Das derzeitige Mobilitätsverhalten kann somit bedeutend verbessert werden.
- Gerade im Grenzbereich wird die zunehmende Verkehrsbelastung immer größer. Wie stehen Sie dazu, dass unsere österreichischen Nachbarn ihre Verkehrsbelastung auf dem Rücken der bayerischen Bevölkerung reduzieren, weil durch LKW-Verbot auf Bundesstraßen sowie Blockabfertigung an der Autobahn der Ausweichverkehr im kleinen deutschen Eck immer größer wird?
Generell muss überlegt werden, ob die Warentransporte (fahrende Lagerhäuser) in dieser Größenordnung gesellschaftlich sinnvoll sind. Eine Verkehrslenkung über das „Große Deutsche Eck“ mit einem angepassten, zeitgemäßen Ausbau der BAB zwischen der Anschlussstelle Rosenheim und Walserberg würde eine erste Entlastung für das „Kleine Deutsche Eck“ bringen. Mit dem Bundesland Salzburg als auch mit dem Land Tirol werden nötige Einigungen zu den Lkw-Sperren sicherlich nicht einfach werden. Doch es muss eine Beschränkung her.
- Die Wohnungsnot wird größer, auch im ländlichen Bereich. Welche konkreten Probleme und Lösungen sehen Sie hier?
Erarbeitung nachhaltiger Wohnraummodelle für alle, speziell insbesondere Berücksichtigung von Familien zu bezahlbaren Preisen. Bevor Baugebiete (grüne Wiese) ausgewiesen werden, sollte vorher ein kluges Wohnungsmanagement / Leerstandsmanagement vorliegen sowie eine moderne Bauleitplanung in einem vernünftigen Zeitrahmen.
9. Was wollen Sie gegen die zunehmende Zweckentfremdung von Wohnungen in Wohnhäusern durch unkontrollierte Vermietung als Ferienwohnung über Plattformen wie airbnb unternehmen?
Einführung der Zweitwohnungssteuer, wo nötig sowie Meldepflicht und bessere Kontrolle bei airbnb. In den Kommunen Berchtesgaden und Ruhpolding wurde ein Zweitwohnungsstopp eingeführt, der bereits Erfolge zeigt.
10. Die Flächenversiegelung im Bund steigt stetig, was wollen Sie hier unternehmen, damit nicht noch mehr wertvoller Boden versiegelt und den Landwirten so auch ihre Produktionsflächen genommen werden?
Effizientere Nutzung schon bebauter Flächen. Angepasste Innenraumverdichtung und Nachnutzung vorhandener bebauter Grundstücke, ohne den Flächenverbrauch zu belasten. Aus der Flutkatastrophe haben wir gelernt, wo wir die Häuser hinbauen können. Wir müssen den Flüssen Raum geben und wir brauchen wieder Auwiesen. Das Baurecht muss der Zeit und Entwicklung entsprechend auf alle Anforderungen an den jeweiligen Ort angepasst werden. Im Rahmen des BauGB (Baugesetzbuch) und der BauNVO (Baunutzungsverordnung), welches beide Bundesgesetze sind, sollte generell die Möglichkeit in der Bauleitplanung (Planungshoheit bei den Gemeinden, Kommunen und Städten) dahingehend erweitert werden.
11. Wie soll das Leben weitergehen, wenn die Corona-Zahlen noch weiter steigen? Welche Pläne haben sie für KiTas, Schulen, Einzelhandel und Gastronomie?
Corona wird uns nie zur Gänze verlassen und wir müssen lernen damit umzugehen und zu leben. Wenn sich die Politik der Wissenschaft anschließen würde, so wird der Umgang mit Corona nicht nur an der Inzidenz bewertet, sondern auch an der Belastbarkeit und Auslastung unseres Gesundheitssystems. Allein mit der Inzidenzbewertung wird die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen nicht höher, sondern im Gegenteil! Die Polarisierung zwischen Impfgegner und Befürworter der Corona-Maßnahmen wird sich deshalb in absehbarer Zeit nicht auflösen. Die Stigmatisierung von Nichtgeimpften muss aufhören! Es darf zu keinen weiteren verschärften Restriktionen kommen und mehr Gelassenheit und Zuversicht ist gefragt. Die Politik müsste Sorge tragen, die Menschen nicht noch mehr durch ständig neue Maßnahmen zu verunsicher.
- Wie stehen Sie zu einer Corona-Impfplicht und sind Sie geimpft?
Ja – ich bin geimpft, bin aber gegen Impflicht. Es muss eine persönliche Entscheidung bleiben. Die Freien Wähler fordern Corona-Freedom-Day – einen Stichtag (11. Oktober 2021) -, an dem die staatlichen Eingriffe und Vorschriften enden und auf die Eigenverantwortung gesetzt werden. Die Freien Wähler stehen für eine Rückkehr der Grundrechte für alle Bürgerinnen und Bürger, ob geimpft oder nicht.
Steckbrief der Bundestagskandidatin Andrea Wittmann (Freie Wähler)
ZUR PERSON
Name: Andrea Wittmann
Partei: Freie Wähler
Position auf der Liste: Direktkandidatin sowie auf der Bayernliste Platz 43
Geburtstag: 2. März 1973
Geboren in: Traunstein
Wohnhaft in: Gemeinde Seeon-Seebruck-Truchtlaching
Familienstand: in Partnerschaft
Kinder: 3 erwachsene Kinder
Beruf: Dipl. Kirchenmusikerin (Univ. Mozarteum), Touristikfachwirtin (IHK), Biersommelière (Doemens)
Hobbys: Musik in allen Genres, Kunst & Kultur, Berge & Seen
In der Partei seit: Habe meine politische Heimat seit 2019 bei den Freien Wählern gefunden, vormals CSU.
Wievielte Kandidatur zum Bundestag/Seit wann MdB? Meine 1. Kandidatur zum Bundestag.
Funktionen in der Partei/Mitglied seit wann: Für die Kandidatur zur Bundestagswahl habe ich das Vertrauen der FW-Parteimitglieder erhalten.
Politische Funktionen und Ämter: Bislang bekleide ich keine direkte Funktion. Ich arbeite im Hintergrund für die FW.
Aktivitäten in Vereinen/Organisationen: Sing- und Musizierkreis Seeon, Kirchenchor Seeon, Freundeskreis von Frauen- und Herrenchiemsee, DLRG Seeon-Truchtlaching, Ausschüsse im Pfarrverband.
Wie sind Sie zur Politik gekommen? Durch meine musikalische Gestaltung von Veranstaltungen unterschiedlicher Parteien auf Kreis-, Landes- und Bundesebne; ich wurde wiederholt angesprochen, mich aktiv in die Politik einzubringen.
Lebensmotto in einem Satz: Worte brauchen Taten!
Was ist größte Ihre Stärke: Eisener Wille, wenn ich für eine Sache brenne!
Was Ihre größte Schwäche: Voll fokussiert auf die jeweilige Arbeit und für manche Menschen bin ich gelegentlich im Denken und Handeln zu schnell.
Bericht und Foto: Freie Wähler – Andrea Wittmann, Kandidatin für den Bundestag im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land