Seit über eineinhalb Jahrhunderten wird das uralte Seilerhandwerk in Flintsbach am Inn betrieben, denn der dortige Seilereibetrieb Weiß besteht urkundlich nachweisbar seit 13. Dezember 1862. Das ist ein guter Grund, dem Familienunternehmen einen Besuch abzustatten, denn Seil-Produkte waren schon immer und sind auch heute noch unentbehrlich für die Land- und Forstwirtschaft, für Baugewerbe und Industrie, für Jedermann daheim und rund um das Haus. Und nicht zuletzt natürlich auch für Tradition und Brauchtum.
„Das Seil ist ein Gegenstand, den heute jeder kennt. Doch schon in der Mittelsteinzeit (etwa um 9600 v. Chr.) sind Seile aus Weidenbast nachgewiesen und im Mittelalter war das Seil allgegenwärtig. Es hing in jedem Brunnen, um daran den Eimer hinab- und hinaufzulassen. Es hielt die Steine, um Kathedralen, Türme, Burgen und befestigte Städte zu bauen und es ermöglichte erst die Schifffahrt. Das vermutlich älteste Seil, das schon gut seine 3300 Jahre hinter sich hatte, fand man 1924 in Ägypten“, heißt es auf der firmeneigenen Website.
Die Seilerei Weiß ist durchgängig seit Ihrer Gründung ein Familienunternehmen. Dem Gründer Josef Weiß (1862-1896) folgten als Betriebs-Verantwortliche Johann Weiß (1896-1940), Johann Nepomuk Weiß (1940-1962), Hans Weiß (1962-1982), Peter Weiß senior (seit 1982 bis heute) und sein Sohn Peter Weiß junior (seit 2012 bis heute). Vor 1862 war das heutige Seilerei-Gebäude ein Chirurgen- und Verwalter-Anwesen mit Kramerladen. Aus Platz- und Auftragsgründen erfolgte 2017 eine bauliche Erweiterung.
Anfangs war die Landwirtschaft großer Kunde – die Bergbahnen kamen später
Begonnen hatten die Aufträge in erster Linie für die landwirtschaftliche Hand-Seilerei, wohl war auch die langjährig betriebene Innschifffahrt von wirtschaftlicher Bedeutung. Der Großvater von Peter Weiß senior bekam gleich nach dem Zweiten Weltkrieg den Auftrag für die Oberaudorfer Lifte. Peter Weißs‘ Vater spürte dann den Rückgang an Aufträgen aus der Landwirtschaft und so versuchte er sich im Nebenerwerb als Gastwirt. Für ihn selbst war der Erhalt des Betriebes wichtig und auch möglich, unter anderem durch eine Seiler-Ausbildung und ein Volontariat in einer Schweizer Drahtseilerei. Derzeit sind er, sein Sohn und Lorenz Huber aus Flintsbach als Mitarbeiter im dritten Lehrjahr unter anderem mit Wartungsarbeiten beschäftigt. Ein Auftrag ist aktuell von der Karwendelbahn, dort soll im Rahmen der turnusmäßigen Wartungsarbeiten Vorsorge getroffen werden, damit Unglücke wie zuletzt in Tschechien vermieden werden können. Weitere Bergbahnkunden sind unter anderem die Wendelsteinbahn und die Hochriesbahn.
Die Seilerei: ein Sommer- und Winterbetrieb und gerne auch auf Ausstellungen
Die Seilerei hat bei Aufträgen von Bergbahnen deren Betriebszeiten zu berücksichtigen, weshalb es für Werkstatt- und Montagezeiten einen Sommer- und Winterbetrieb gibt. Auch auf Messen und Ausstellungen wird präsentiert, unter anderem im Lokschuppen Rosenheim und beim Trachtenverein Kolbermoor („Brauchtum-Handwerk-Tracht“), in Kolbermoor auch heuer wieder am 15./16. Oktober. Am 22. Mai in Neubeuern ist man ebenfalls vertreten, wenn das Jubiläum „400 Jahre Schiffsleute Bruderschaft“ gefeiert wird.
Die Herstellung und der Umgang mit Naturfaser- und Kunststoffseilen ist ein eigenes Berufsbild der Handwerkskammer. Peter Weiß senior als Landesinnungsmeister bietet seine Firmenräumlichkeiten auch an, um dort die Gesellenprüfung durchzuführen. Anfang Juli werden deshalb vier bayerische und zwei sächsische Lehrlinge zur Gesellenprüfung nach Flintsbach kommen. Mitte Juli folgen dann noch die Meister-Prüfungen für die Landesinnung des bayerischen Seiler- und Segelhandwerks mit dann acht Teilnehmern. Das 150-jährige Jubiläum der Seilerei Weiß vor 10 Jahren wurde festlich und gebührend gefeiert. Ob 160 Jahre auch groß und öffentlich gefeiert werden, lässt die Familie Weiß nach den gut überstandenen Corona-Jahren noch offen. Aber für den September oder Herbst gibt es schon erste Überlegungen.
Weitere Informationen unter www.seilerei-peter-weiss.de.
Text und Fotos: Hötzelsperger – Eindrücke von der Seilerei Weiß in Flintsbach mit Peter Weiß senior, seinem gleichnamigen Sohn und mit Lehrling Lorenz Huber, ebenfalls aus Flintsbach.
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de