Kultur

13 neue IMMATERIELLE KULTURERBE in Bayern

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Bayerns kulturelle Vielfalt ist einzigartig – hier verschmelzen Tradition und Moderne harmonisch zu einer optimalen Einheit. Die bewusste Pflege und Wertschätzung dieser besonderen Kultur in unserer Heimat fördert das Verständnis und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer vielfältigen Gemeinschaft. Durch den Erhalt und die Weitergabe unseres Immateriellen Kulturerbes schaffen wir einen Rahmen für sozialen Austausch, geben Stabilität in herausfordernden Zeiten und bauen Brücken zwischen Menschen und Traditionen. Es ist mir daher eine große Freude, dass das Bayerische Landesverzeichnis nun um insgesamt 13 neue Kulturformen erweitert wird“, teilt Finanz- und Heimatminister Albert Füracker mit. „Die neuen Einträge in unserem Bayerischen Landesverzeichnis zeigen, wie sich unzählige Menschen für ihre lebendige Tradition und ihre Heimat einsetzen. Ihnen gebührt höchster Respekt und außerordentlicher Dank und für ihren Einsatz für unsere Heimat Bayern!“, betont Füracker.

Seit 2003 stellt die UNESCO immaterielle kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit. Überall auf der Welt sollen überliefertes Wissen und Können, das einen wesentlichen Bestandteil unserer Alltagskulturen ausmacht, als immaterielles Kulturerbe sichtbar gemacht sowie Maßnahmen unterstützt werden, die zur Erhaltung und Weiterentwicklung geeignet sind. Bis heute sind 180 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat. Neben dem Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes gibt es in Bayern ein eigenes Landesverzeichnis, das nun 82 Eintragungen enthält.

Die nächste Bewerbungsrunde startet voraussichtlich am 1. April 2025. Informationen zum bundesweit einheitlichen Bewerbungsverfahren finden sich im Internet unter www.ike.bayern.de. Interessierte und Antragsteller können sich bei der Beratungs- und Forschungsstelle Immaterielles Kulturerbe Bayern informieren und beraten lassen (ike@volkskunde.badw.de, Tel.: 089 5155-6144).

Folgende Kulturformen können nach Empfehlung durch das Expertengremium neu in das Bayerische Landesverzeichnis aufgenommen werden:

Chinesenfasching Dietfurt

Der Chinesenfasching in Dietfurt an der Altmühl gehört zu den bekanntesten Faschingsveranstaltungen in Bayern. Am „Unsinnigen Donnerstag“ bewegt sich ein rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählender Umzug mit „Kaiserpaar“, teilweise chinesisch gewandeten Fußgruppen und Umzugswagen in Richtung Stadtplatz, wo der „Empfang“ vor dem „Thron“ einen Höhepunkt bildet. Der Name basiert auf dem historischen Ortsnecknamen „Chinesen“ für die Dietfurter und wird seit dem frühen 20. Jahrhundert als Faschingsmotto umgesetzt. Heute gibt es einen engagierten Kulturaustausch mit China, zum Umzug kommt der Generalkonsul und chinesische Kulturvereine beteiligen sich.

Die vier Knabenchöre Bayerns

Zu den „Vier Knabenchören Bayerns“ zählen die Chöre in Regensburg und Augsburg, hervorgegangen aus mittelalterlichen Domsingschulen, sowie in Bad Windsbach und Bad Tölz, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Die Tradition der Knabenchöre beruht auf deren besonderer Stimmlage. Die Chöre bieten eine praktisch wie theoretisch fundierte musikpädagogische Ausbildung und sind für ihre international renommierten Konzerte bekannt. Das Repertoire umfasst Chorwerke von der Gregorianik über die moderne Oper bis hin zum Volkslied. Mittlerweile nehmen die Chöre in Regensburg und Augsburg auch Mädchen auf.

Fahnenstickerei

Die Fahnenstickerei umfasst neben der Planung, Gestaltung und Ausführung auch die Pflege und Restaurierung von Fahnen. Bis zum frühen 19. Jahrhundert handelte es sich um reine Handarbeit, die unter anderem in Klöstern und speziellen Werkstätten erledigt wurde. Seit der Industrialisierung kamen dann auch Stickmaschinen zum Einsatz. Ihren Höhepunkt erlebte die Fahnenstickerei durch das Aufblühen des Vereinswesens im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zum handwerklichen Wissen und Können zählen die Kenntnis der Materialien und die Sticktechniken ebenso wie die für eine Restaurierung historischer Stücke notwendigen Spezialkenntnisse.

Gelübdefeiertag St. Sebastian in Grafenwöhr

Der Gelübdefeiertag in Grafenwöhr geht seit 1731 auf den Seuchen- und Pestheiligen Sankt Sebastian zurück, der nach seiner Anrufung die Stadt von der Pest befreit haben soll. Der Feiertag wird bis heute jedes Jahr am 20. Januar mit Kirchenzug, Gottesdienst und anschließenden Feierlichkeiten begangen. Ein Großteil der Bevölkerung beteiligt sich, darunter auch Vertreter des nahegelegenen Truppenübungsplatzes. Zu den besonderen Festspeisen zählen die Sebastianpfeile, ein spezielles Hefegebäck, das in der sonderpädagogischen Berufsschule hergestellt wird.

 Goldschlägerhandwerk in Schwabach

Beim Goldschlagen werden kleine Metallplättchen durch intensive Bearbeitung mittels unzähliger Hammerschläge zu extrem dünnen Goldblättchen, dem Blattgold, verarbeitet. In Deutschland existiert das Goldschlägerhandwerk nur noch in der mittelfränkischen Stadt Schwabach, die seit dem 16. / 17. Jahrhundert für ihre Goldschläger und Blattgoldarbeiten berühmt ist. Blattgold aus Schwabach wird auch heute noch weltweit exportiert. Die Blättchen aus Gold und verschiedenen Legierungen werden vorwiegend beim Vergolden weiterverarbeitet, finden aber auch bei Lebensmitteln Verwendung.

Kreuther Leonhardifahrt

Die Leonhardifahrt ist eine Prozession zu Pferd, die zu Ehren des als Viehpatron verehrten heiligen Leonhard von Limoges in Kreuth, wie auch in anderen Orten in Altbayern und Westösterreich, alljährlich an seinem Gedenktag am 6. November durchgeführt wird. Seit 1599 in Kreuth belegt, handelte es sich in der Frühen Neuzeit um Umritte mit Pferdesegnung, spätestens seit dem frühen 20. Jahrhundert kamen auch Fuhrwerke mit den sogenannten „Truhenwagen“ hinzu, auf denen die in Tracht gekleideten Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Kirche ins Dorf fahren. Als Besonderheit der Kreuther Leonhardifahrt gilt das Lenken der Pferde nicht vom Wagen aus, sondern vom Sattel.

Kronacher Schwedenprozession

Die „Schwedenprozession“ in Kronach geht auf eine Dankprozession für das glückliche Ende einer Belagerung durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg zurück. Die seit 1632 alljährlich begangene, seit den 1970er Jahren ökumenische Prozession führt am Sonntag nach Fronleichnam von der Stadtpfarrkirche zur Festung Rosenberg und wieder zurück. Nach der Prozession gibt es einen festlichen Ausklang. Früher beteiligten sich daran Zünfte und das Bürgermilitär, heute sind es Vereine, städtische Institutionen und historische Gruppen. Eine besondere Rolle bei der Dankesprozession kommt bis heute den Frauen zu, da die letzte Belagerung der Stadt nur durch ihre Hilfe abgewehrt werden konnte.

Kunigundenfest in Lauf an der Pegnitz

Das Kunigundenfest ist ein seit dem 17. Jahrhundert belegtes Schul- und Kinderfest in der Stadt Lauf an der Pegnitz, das jährlich im Juli gefeiert wird. Anlass ist die Weihe der Kunigundenkapelle auf dem nördlich der Stadt gelegenen Kunigundenberg. In einem Festzug, zu dem neben geschmückten Festwagen und Musikkapellen die von einer Schülerin dargestellte Kaiserin Kunigunde gehört, ziehen die Schulkinder der städtischen Schulen auf den Berg. Dort folgt ein Festprogramm mit Tanz-, Musik- und Theatereinlagen. Umrahmt wird das Geschehen von einem fünftägigen Kirchweihfestbetrieb.

Memminger Fischertag

Der Ende Juli gefeierte Fischertag hat sich als zentrales Stadtfest im schwäbischen Memmingen um das jährliche Abfischen und Reinigen des Stadtbaches entwickelt, das seit dem 16. Jahrhundert belegt ist. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, aus dem Stadtbach mit einem Kescher den größten Fisch zu fangen, um dadurch zum „Fischerkönig“ oder zur „Fischerkönigin“ gekrönt zu werden. Um dieses Ereignis herum hat sich ein teils historisierender Festkomplex herausgebildet, zu dem unter anderem eine Wallenstein-Woche im vierjährigen Rhythmus gehört. Seit 2022 ist die Teilnahme beim Bachausfischen nicht mehr auf Männer beschränkt.

Schwäbischwerder Kindertag zu Donauwörth

Der „Schwäbischwerder Kindertag“ zu Donauwörth, der seit 1680 belegt ist, findet im zweijährigen Rhythmus gegen Ende des Schuljahres am „Kindertag-Wochenende“ statt. Rund 870 Schulkinder und weitere Akteure spielen in historischen Gewändern in einem farbenprächtigen Festumzug und durch ein großes Historienspiel die Stadt- und Reichsgeschichte nach. Zum Umzug gehören auch aufwändig gebaute Wagen. Der seit 1983 gebräuchliche Name des Kinderfestes bezieht sich auf die Blütezeit der ehemaligen Reichsstadt, die bis zur Reichsacht von 1607 „Schwäbischwerd“ hieß.

Schweinfurter Schlachtschlüssel

Die „Schweinfurter Schlachtschüssel“ ist ein von September bis April praktiziertes gesellschaftliches und kulinarisches Ritual, das sowohl in der Gastronomie wie auch in Vereinen oder in privaten Gesellschaften seit Mitte des 19. Jahrhunderts angeboten wird. An einem Essen sind üblicherweise zwischen 30 und 150 Personen beteiligt.  Hierbei wird das Fleisch nicht einzeln portioniert, sondern in ritualisierter Form tischweise gereicht. Zudem ist das Schlachtschüsselessen mit einem Unterhaltungsprogramm verbunden, bei dem die Gäste zum Mitsingen und Dichten aufgefordert werden.

Studioglasbewegung Frauenau (Gutes Praxisbeispiel)

Die Studioglasbewegung Frauenau zielt seit den 1960er Jahren auf handwerklich und künstlerisch gestaltetes Glas – meist Unikate – ab, das nicht den Regeln der seriellen und auf Akkord abzielenden Glasproduktion in großen Glashütten folgt. Studioglas wird in Frauenau und seiner Umgebung inzwischen von mehreren Generationen von Handwerkerinnen und Handwerkern sowie Künstlerinnen und Künstlern in individuellen Studios und Werkgemeinschaften hergestellt. Zentral für die Vermittlung ist die 1987 gegründete internationale Sommer-Akademie. Dadurch werden Wissen und Können in einer Region erhalten und vermittelt, die bis vor wenigen Jahrzehnten für die Glasproduktion in Bayern und darüber hinaus von zentraler Bedeutung war.

Treideln auf dem Ludwig-Donau-Main-Kanal (Gutes Praxisbeispiel)

Die Tradition des Treidelns, also das Ziehen eines Schiffes durch ein am Ufer laufendes Pferd, geht am Ludwig-Donau-Main-Kanal von Kelheim bis Bamberg in dessen Entstehungszeit in die 1840er Jahre zurück. Nach Aufgabe des Kanals als offizielle Wasserstraße 1950 wurde das Treideln allmählich aufgegeben und 1996 zunächst im oberpfälzischen Landkreis Neumarkt und dann im mittelfränkischen Landkreis Nürnberg Land wiederbelebt. Die touristische Nutzung des Treidelns und die Weitergabe von Wissen und Können zu der alten Handwerkstechnik sind mittlerweile einmalig in Deutschland.

Bericht: Bayerisches Finanz- und Heimatministerium  –  Archiv-Foto: Hötzelsperger – Die Handwerkskunst der Fahnenstickereien sind neues immaterielles Weltkulturerbe (Foto entstand 2015 beim Gautrachtenfest in Prien a. Chiemsee und zeigt Fähnrich Michael Schlosser vom Trachtenverein Prien-Atzing beim Fahnenschwenken und beim Festzug)

 

 

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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